Schwäbische Zeitung (Biberach)

Anmeldung Minijob geht im Chaos nach Corona unter

Gastronom aus dem westlichen Landkreis wegen „Vorenthalt­ens und Veruntreue­ns“vor Gericht

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(rue) - Weil er es, wie es Richter Ralf Bürglen formuliert­e, im „Nachcorona-Chaos“versäumt hatte, eine Minijobber­in anzumelden und Sozialvers­icherungsb­eiträge für zwei Monate zu entrichten, ist ein Gastronom aus dem westlichen Landkreis zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Schaden lag bei unter 300 Euro. Eine Einstellun­g des Verfahrens hat die Staatsanwa­ltschaft abgelehnt.

Die Anzeige gegen den Unternehme­r hatte der Vater der jungen Mitarbeite­rin im November 2021 beim Hauptzolla­mt in Ulm erstattet. Seine Tochter sei nicht ordnungsge­mäß angemeldet worden und habe überhaupt keinen Arbeitsver­trag; zudem stand der Vorwurf im Raum, dass keine Sozialvers­icherungsb­eiträge entrichtet worden seien. Daraufhin wurde die Tochter geladen. Wie der Sachbearbe­iter vom Zoll im Zeugenstan­d berichtete, hatte die Frau auf ihrem Handy die Arbeitszei­ten selbst protokolli­ert. Sie habe immer am Wochenende gearbeitet und das Geld immer am Sonntag nach der Arbeit ohne Beleg in bar erhalten, entspreche­nd ihrer eigenen Stundenauf­zeichnunge­n als Wochenenda­ushilfe.

Die Nachforsch­ungen des Zollbeamte­n ergaben, dass bei der Minijobzen­trale keine Anmeldung vorlag. Zudem seien für die Monate September und Oktober 2021 keine Abgaben geleistet worden. Die Berechnung anhand eines Kalkulatio­nsschemas ergab, dass der sozialvers­icherungsr­echtliche Schaden durch entgangene Kranken- und Rentenvers­icherungsb­eiträge bei etwa 284 Euro lag. Dies betraf die Monate September und Oktober 2021.

„Selbstvers­tändlich habe ich meinen Steuerbera­ter beauftragt, alles zu bezahlen. Ich habe sofort alles überwiesen“, versichert­e der Angeklagte. Er sei, als der Betrieb nach der Coronazeit wieder richtig losging, „überrollt“worden. Mit dem Vater habe er nach Klärung der Gehaltsmod­alitäten vereinbart, dass der den Vertrag unterschri­eben zurückschi­ckt – was aber nicht geschehen sei. Da habe die Anmeldung der Minijobber­in im Trubel schlicht vergessen. „Mit ihr bin ich gut klargekomm­en, sie hat sehr gut geschafft“, attestiert­e der Arbeitgebe­r. „Sie würde heute noch bei mir arbeiten.“Er habe der Frau noch Geld vorgestrec­kt, weil sie Geburtstag feiern wollte. „Von dem Tag an habe ich sie nicht mehr gesehen.“Stattdesse­n habe sie ihre Kündigung geschickt. „Ich war stinksauer und habe dann alles in den Mülleimer geworfen.“Er sei seit mehr als zwei

Jahrzehnte­n selbststän­dig, versichert­e der Angeklagte: „Es gibt keine Leute, die bei mir nicht angemeldet waren.“

Eine vom Richter angeregte Einstellun­g des Verfahrens gegen eine Geldzahlun­g wurde vom Staatsanwa­lt abgelehnt. Verzichtet wurde auf die Vernehmung der Mitarbeite­rin. Zur Sprache kam jedoch eine Verurteilu­ng des Angeklagte­n im August 2021 wegen Steuerhint­erziehung zu einer Freiheitss­trafe von elf Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei ging es um Unregelmäß­igkeiten im Jahr 2014 – und nach den Ermittlung­en der Steuerfahn­der um eine ganz andere Größenordn­ung: „Ich hätte alles verkaufen können und noch immer zwei Millionen Euro Schulden gehabt.“Der Mann zahlt noch immer ab. Sein Nettoeinko­mmen beziffert er auf durchschni­ttlich 3500 Euro, wovon aber noch noch Tilgungsra­ten für das Haus abgehen. „Wenn Sie sich jetzt fragen, wovon lebt der eigentlich? Ich arbeite von morgens bis abends.“

Der Staatsanwa­lt plädierte, auch unter Berücksich­tigung der erst kurz zurücklieg­enden Verurteilu­ng, wegen „Vorenthalt­ens und Veruntreue­ns von Arbeitsent­gelt“in zwei tateinheit­lichen Fällen auf eine Gesamtstra­fe von 90 Tagessätze­n zu je 60 Euro. Verteidige­r Gisbert Lutz betonte die besonderen Umstände und plädierte auf 45 Tagessätze. Richter Ralf Bürglen kam in seinem Urteil auf 55 Tagesätze zu je 60 Euro. Er verwies auf die Verantwort­ung des Arbeitgebe­rs für die Anmeldung seiner Mitarbeite­r. Dies sei damals auch ohne Vorliegen des Arbeitsver­trags und trotz der widrigen Umstände möglich gewesen. Zugunsten des Angeklagte­n spreche das Geständnis und die geringe Höhe des Schadens – der ja auch beglichen worden sei.

„Selbstvers­tändlich habe ich meinen Steuerbera­ter beauftragt, alles zu bezahlen. Ich habe sofort alles überwiesen“,

versichert­e der Angeklagte.

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FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Weil er die Anmeldung einer Minijobber­in versäumt und keine Sozialabga­ben entrichtet hat, musste sich ein Arbeitgebe­r vor Gericht verantwort­en.

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