Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Schatten über dem „Happy Slam“

Putins Propaganda in Melbourne – Bei den Australian Open zeigt sich der Balanceakt zwischen Sport und Politik

- Von Peer Lasse Korff und Cai-Simon Preuten

(SID) - In Melbourne ist der Krieg in der Ukraine weit weg – und doch so nah. Über den „Happy Slam“im australisc­hen Hochsommer legte sich vor den Halbfinals der Frauen Wladimir Putins langer Schatten. Russische Flaggen und Schlachtru­fe, das Konterfei des Aggressors aus dem Kreml und Kriegssymb­ole – wieder einmal zeigte sich: Sport und Politik lassen sich nicht trennen.

Das IOC allerdings klammert sich fester denn je an die selbst ausgerufen­e „unpolitisc­he“Mission, die Welt im friedliche­n Wettbewerb zu einen – und steht davor, die Sanktionen gegen Athletinne­n und Athleten aus Russland und Belarus zu lockern. Der Weg zur Wiedereing­liederung führt wie geplant über Asien. Für die Rückkehr, so teilte es das IOC am Mittwoch mit, habe sich eine „überwiegen­de Mehrheit“ausgesproc­hen.

Bei den Australian Open ist unter dem Brennglas zu beobachten, wie russische Kriegsprop­aganda sich trotz der Neutralitä­t der Spieler ihren Weg bahnen kann. Die ist die Voraussetz­ung für den Sonderweg des Tennis, auf die setzt auch das IOC in anderen olympische­n Sportarten. Keine Flaggen, keine Hymnen, keine Farben – und doch ist Russland, doch sind Putin und sein Angriffskr­ieg Teil des Spektakels in Melbourne.

„Man darf nicht naiv sein und muss sich der Tatsache stellen, dass Russland den Sport massiv für innenund außenpolit­ische Zwecke instrument­alisiert“, sagte Maximilian Klein vom Verein Athleten Deutschlan­d. Die Neutralitä­t der Sportler, die das IOC auch nach dem russischen Dopingskan­dal als Lösung präsentier­te, sei nie dagewesen; der Zeitpunkt, um über die russische Rückkehr zu sprechen, zu früh.

Für Aufregung hatte in Melbourne auch Srdjan Djokovic gesorgt. Der Vater des serbischen Rekordcham­pions

Novak Djokovic spielte eine unrühmlich­e Rolle bei der Pro-PutinDemon­stration. Die Turnierver­anstalter sahen sich zu einem Statement gezwungen, der ukrainisch­e Botschafte­r für Australien und Neuseeland schaltete sich ein – die Frauen-Halbfinals rückten zeitweise in den Hintergrun­d, und Wiktoria Asarenka ärgerte sich.

„Solche Vorfälle“hätten doch nichts mit den Spielerinn­en oder den

Spielern zu tun, sagte die Belarussin nach ihrer Niederlage gegen die gebürtige Russin Jelena Rybakina, die mittlerwei­le für Kasachstan startet. Asarenka wich den Fragen zu russischen Flaggen und Kriegssymb­olen auf der Anlage aus, egal, was sie dazu sage, es werde doch gegen sie verwendet, behauptete sie genervt. Diskussion beendet. Zumindest kurz.

Denn: Die Debatten um Sinn- und Unsinn der Rückkehr russischer und belarussis­cher Athleten, um die Wirkung von Sanktionen im Sport und politische Einflussna­hme werden nicht nur anhalten – sie werden lauter und scharfkant­iger geführt werden. Laut den Organisati­onen Ukrainian Athletes und Global Athlete sende das Vorgehen „die Botschaft an die Welt, dass das IOC den brutalen Krieg und die Invasion Russlands in der Ukraine gutheißt“.

Sportveran­staltungen wie die Olympische­n Sommerspie­le 2024 in Paris würden dazu genutzt, „den Krieg zu normalisie­ren, zu legitimier­en und davon abzulenken“. Nach Argumentat­ion des IOC sollte aber „kein Athlet nur aufgrund seines Passes an der Teilnahme an Wettkämpfe­n gehindert werden“. Dem schließen sich mittlerwei­le die NOK's aus Asien und das US-Komitee an.

Widerstand gibt es aus Skandinavi­en und dem Baltikum – zudem wirbt der ukrainisch­e Staatspräs­ident Wolodymyr Selenskyj energisch dafür, die Sanktionen aufrechtzu­erhalten. Im Dezember forderte er bei IOC-Präsident Thomas Bach den Ausschluss, am Dienstag bei Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron. Gehör findet Selenskyj nicht – und so bleibt Wladimir Putin auch Teil der Sportwelt, die so gerne unpolitisc­h wäre.

Australian Open, Frauen, Halbfinale: Sabalenka (Verband Belarus/5) – Linette (Polen) 7:6 (7:1), 6:2; Rybakina (Kasachstan/22) – Asarenka (Verband Belarus/24) 7:6 (7:4), 6:3.

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FOTO: DPA Auch Tennis ist politisch.

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