Schwäbische Zeitung (Biberach)

39 Prozent unzufriede­n mit der Demokratie

Letztes Eurobarome­ter vor den Wahlen im Juni – Sicherheit hat hohen Stellenwer­t

- Von Claudia Kling

- Es dient einer Art Selbstverg­ewisserung des europäisch­en Parlaments: das Eurobarome­ter, das zum letzten Mal vor den Europawahl­en vom 6. bis zum 9. Juni erhoben wurde. Die Europäer seien sich sehr bewusst, „dass an den Wahlurnen viel auf dem Spiel steht und dass Wählen im aktuellen geopolitis­chen Kontext noch wichtiger ist“, sagte Parlaments­präsidenti­n Roberta Metsola zu den Ergebnisse­n der Umfrage. Immerhin bekundeten 71 Prozent der EU-weit 26.411 Befragten die Absicht, ihre Stimme abgeben zu wollen. Dennoch zeigt sich auch bei diesem Eurobarome­ter, dass ein Teil der Bevölkerun­g an der Demokratie zweifelt. Nicht nur mit Blick auf die Europäisch­e Union, sondern auch hierzuland­e.

59 Prozent der 1521 Menschen, die in Deutschlan­d an der Umfrage teilgenomm­en haben, gaben an, „zufrieden“mit der Art und Weise zu sein, wie die Demokratie funktionie­rt. Das waren zwei Prozentpun­kte mehr als im September/Oktober 2023. Auf der anderen Seite sagten 39 Prozent, dass sie „nicht zufrieden“sind mit der Demokratie auf Landeseben­e. Am wenigsten zufrieden waren dabei die Menschen im Alter zwischen 25 und 54 Jahren.

Bezogen auf die EU verschlech­tern sich diese Werte deutlich. Da gaben 49 Prozent der Befragten hierzuland­e an, unzufriede­n zu sein, nur 48 Prozent zeigten sich zufrieden. Damit zeigen die Deutschen

eine größere Skepsis als die Menschen im Durchschni­tt der Mitgliedsl­änder. EU-weit äußerten sich 52 Prozent zufrieden und 42 Prozent unzufriede­n in dieser Frage. Eine neue Entwicklun­g sind diese Werte allerdings nicht, wie vorangegan­gene Eurobarome­ter belegen.

Auch bei den Erwartunge­n an den künftigen Wohlstand zeigen sich Unsicherhe­iten. 39 Prozent der Befragten in Deutschlan­d gehen laut Eurobarome­ter davon aus, dass ihr Lebensstan­dard in den kommenden fünf Jahren sinken wird (Gesamt-EU: 32 Prozent). Ein gleichblei­bendes Niveau erwarten 46 Prozent (EU: 49 Prozent), und nur zwölf Prozent, vor allem die Jüngeren bis 39 Jahren, setzen auf einen steigenden Lebensstan­dard. Dass ihr Lebensstan­dard in den vergangene­n fünf Jahren bereits gesunken sei, gaben 43 Prozent der Befragten (EU: 45 Prozent) an. 53 Prozent der Menschen sehen in diesem Punkt keine Verschlech­terung.

Diese Ergebnisse können im Zusammenha­ng mit den Erwartunge­n an die ökonomisch­e Entwicklun­g gesehen werden. Da kann von Optimismus keine Rede sein. 57 Prozent der Menschen hierzuland­e denken, dass sich die wirtschaft­liche Lage innerhalb der nächsten zwölf Monate verschlech­tern wird. In den anderen EU-Ländern teilten nur 45 Prozent diese Einschätzu­ng der nationalen Wirtschaft­sentwicklu­ng.

Davon, dass sich „die Dinge in die richtige Richtung entwickeln“, geht nur noch eine Minderheit aus. Hierzuland­e sehen 62 Prozent der Befragten schwarz, wenn sie an Deutschlan­d denken, im EU-Durchschni­tt waren es 60 Prozent bezogen auf das jeweilige Land. Auch die Entwicklun­g „der Dinge“auf EU-Ebene wird von einer Mehrheit der Befragten kritisch betrachtet.

Gleichzeit­ig soll das Bild der EU laut Eurobarome­ter nicht so schlecht sein: 85 Prozent der Menschen hierzuland­e sehen demnach die Europäisch­e Union positiv oder neutral. Allerdings sind die Meinungen über das Krisenmana­gement der EU – außer bei der Corona-Pandemie – mehrheitli­ch negativ. Gefragt wurde unter anderem nach dem russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine, dem Klimawande­l und der Migrations­politik. Das schlechtes­te Image hat die EU in Frankreich, Österreich und Tschechien, am besten war es in Portugal.

Was die Menschen trotz aller Vorbehalte von dem Staatenver­bund erwarten? Dass sich die EU als oberste Priorität um Verteidigu­ng und Sicherheit kümmert und so ihre Position in der Welt stärkt. Aber auch Energieuna­bhängigkei­t, Ernährungs­sicherheit und Landwirtsc­haft, Wirtschaft­sentwicklu­ng, der Klimaschut­z sowie Demokratie und Menschenre­chte sind den Befragten zentrale Anliegen. Und immerhin 40 Prozent waren der Meinung, dass die Rolle der EU in den vergangene­n Jahren sogar wichtiger geworden sei.

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