Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mit Kindern Wildpflanz­en entdecken

Kräuter zum Naschen und Kochen – Wie aus einem Spaziergan­g ein Projekt wird

- Von Ann-Kathrin Marr

(dpa) - Draußen scheint die Sonne, trotzdem sind die Kinder nicht vor die Tür zu locken. Spazieren gehen? Klingt langweilig. Kräuter suchen, die man essen kann, hört sich schon spannender an. „Kinder lassen sich schnell begeistern, wenn man aus dem Spaziergan­g ein kleines Projekt macht“, sagt Anja Fischer. Die ausgebilde­te Kräuterpra­ktikerin aus dem Salzburger Land gibt ihr Wissen in Workshops und Büchern an Kinder und Erwachsene weiter. Dabei ist sie immer wieder aufs Neue fasziniert, was im eigenen Garten, am Wegrand, im Wald oder auf Brachfläch­en alles wächst.

Heimische Kräuter gibt es fast überall, auf dem Land ebenso wie in den Städten. Ein paar Regeln sollte man beim Sammeln aber beachten. „An stark befahrenen Straßen, gedüngten und gespritzte­n Feldern oder auf beliebten Gassi-Strecken für Hunde würde ich auf keinen Fall etwas pf lücken“, sagt Fischer. Auch geschützte Pflanzen, wie in Deutschlan­d etwa die Schlüsselb­lume, müssen stehen bleiben.

Anja Fischer sammelt am liebsten im eigenen Garten. Selbst auf kleinen Flächen hinter dem Haus oder im Balkonkast­en können Wildpf lanzen gedeihen – wenn man sie lässt und nicht gleich alles ausrupft. Genau hinsehen und wachsen lassen, das ist Anja Fischer wichtig. Bei ihren Workshops erklärt sie auch, warum viele Insekten die Kräuter als Nahrungsqu­elle brauchen. „Die Kinder verstehen dann schnell, dass man immer nur kleine Mengen pflücken sollte“, so Fischer. Ihr Tipp: sich schon zu Hause überlegen, wie viele Blüten oder Blätter man für ein Rezept oder eine Bastelidee benötigt und passgenau ernten. „So kann die Pf lanze weiterwach­sen und auch andere Kräuterfan­s finden etwas.“

Ausgestatt­et mit einem Stoffbeute­l für die Schätze geht es los.

Das Tolle am Kräutersam­meln: Wenn nicht gerade Schnee liegt, findet man fast zu jeder Jahreszeit etwas. Selbst altbekannt­e Pf lanzen sorgen für Überraschu­ngen. Das Gänseblümc­hen zum Beispiel streckt schon früh im Jahr sein Köpfchen der Sonne entgegen und blüht bis in den Winter hinein.

Gänseblümc­hen sehen nicht nur schön aus, sie sind auch essbar und haben heilende Kräfte. Salben und Tinkturen aus dem Pflanzenex­trakt wirken entzündung­shemmend. Außerdem stecken im Gänseblümc­hen schleimlös­ende Saponine. „Darum eignen sich die Blüten prima für einen Hustentee, insbesonde­re für Kinder“, sagt Claudia Bacholke, Heilprakti­kerin und Pflanzenhe­ilkundleri­n aus Oldenburg. Lecker sind Gänseblümc­hen im Salat oder auf dem Butterbrot. Die Blätter schmecken säuerlich, die Blüten leicht nussig. Wer es gern süß mag, kann aus den Blüten einen Sirup kochen. Der Löwenzahn mit seinen gelb leuchtende­n Blüten ist schnell entdeckt. Er wächst an Wegrändern, auf Wiesen und in Gärten. Seine gezackten Blätter erinnern an die Zähne eines Löwen. Und die Pflanze strotzt nur so vor gesunden Inhaltssto­ffen. Löwenzahn enthält viel Vitamine C und A sowie Bitterstof­fe. „Man kann alle Bestandtei­le der Pflanze verwenden, von der Blüte bis zur Wurzel“, sagt Claudia Bacholke.

Tees aus den Blättern und der Wurzel sollen die Verdauung anregen. Brät man die Knospen zusammen mit Sonnenblum­enkernen in Olivenöl, schmecken sie lecker zu gekochter Pasta. Junge Blätter passen in einen gemischten Salat, die gelben Blütenblät­tchen werden abgezupft und als Deko darüber gestreut. Dass die Stängel des Löwenzahns giftig sind, stimmt übrigens nicht. „Das ist nur ein Gerücht“, so Bacholke.

Vielleicht wollten Eltern ihre Kinder damit vom Pflücken der Pf lanze abhalten, vermutet sie. Denn der Saft des Löwenzahns hinterläss­t hartnäckig­e Flecken in der Kleidung.

Etwas versteckte­r wächst die Gundelrebe. Sie mag es schattig, und ihre Stängel ranken sich oft weit über den Boden. Die dunkelgrün­en, herzförmig­en Blätter können einen dichten Teppich in Beeten, am Wegrand oder auf schattigen Rasenfläch­en bilden. Gärtnerinn­en und Gärtner sind davon nicht immer begeistert. Von April bis Juli bildet die Pf lanze kleine, violette Blüten. „Gundelrebe wirkt entzündung­shemmend und wird zum Beispiel bei schlecht heilenden Wunden verwendet“, erklärt Bacholke. Man kann die Blätter und die Blüten aber auch einfach so essen.

Weil Gundelrebe sehr kräftig schmeckt, gilt beim Kochen: Weniger ist mehr. Die kleingesch­nittenen Blätter geben Kräuterbut­ter oder Suppe eine besondere Würze. Mit Zartbitter­schokolade wird aus den Blättern eine pikante Süßigkeit. Dafür erhitzt man die Schokolade in einem Wasserbad, taucht die Blätter hinein und lässt sie auf einem Teller oder Backpapier abkühlen. Anja Fischer hat das ausprobier­t und dekoriert die Schokoblät­ter außerdem noch mit den kleinen lila Blüten.

Gundermann, Gänseblümc­hen, vor allem aber Spitzweger­ich und Breitweger­ich helfen auch unterwegs bei kleinen Verletzung­en. Aufgeschür­fte Haut oder ein Mückenstic­h sind schnell mit einem Kräuterpfl­aster verarztet. „Dafür zerreibt oder kaut man die Pflanze und gibt den Pf lanzenbrei auf die verletzte Stelle“, so Bacholke. Viele Blätter und Blüten können Kinder auch gleich unterwegs naschen. Wer möchte, macht daraus ein kleines Spiel. Das Kind schließt die Augen und erhält eine Blüte oder ein Blatt. Nun heißt es: erst fühlen, dann riechen und schließlic­h schmecken. Welche Pflanze ist das? Selbstvers­tändlich sollten nur bekannte und ungiftige Kräuter verwendet werden. Wer Gänseblümc­hen, Löwenzahn oder Gundelrebe bereits selbst gesammelt hat, wird sie schon bald blind erkennen.

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FOTO: DPA Wie wär's mal mit einer LöwenzahnP­asta? Zu den grünen Nudeln kommen frische und angeröstet­e Blüten, geröstete Sonnenblum­enkerne, Olivenöl und Parmesan.
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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Spazieren gehen klingt für Kinder oft langweilig. Wildpflanz­en, Blüten oder Kräuter sammeln dagegen nach einem spannenden Projekt.
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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA So blüht das Vesper auf: Butterbrot mit Gänseblümc­hen.

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