Schwäbische Zeitung (Biberach)
Biberacher demonstrieren für Europa
Bei der Kundgebung auf dem Marktplatz werben die Organisatoren dafür, wählen zu gehen
- Europa ist es wert, dafür zu kämpfen: Das war der Tenor auf der Kundgebung auf dem Biberacher Marktplatz am Sonntagnachmittag. Die proeuropäische Bürgerbewegung Pulse of Europe (PoE) hatte zu der Veranstaltung eingeladen und knapp 300 Zuschauer waren gekommen. Mit dabei waren auch viele Biberacher Bewegungen und Vereine.
Die Kundgebung stand unter dem Motto „Gemeinsam für Demokratie und ein starkes Europa“. Anlass war die anstehende Europawahl am 9. Juni. „Die EU ist im Inneren wie im Äußeren so gefordert wie nie“, sagte Organisatorin Annette Rueß von PoE in ihrer einleitenden Rede. Zuvor hatten die Städte Partner Biberach bereits einen Sternenspaziergang organisiert. Europa sei seit Jahrzehnten dafür verantwortlich, dass es auf dem Kontinent Sicherheit und Frieden gebe, sagte Rueß, daher müsse man eingestehen, dass es „uns eigentlich ein gutes Leben sichert“. Dafür bekam sie viel Applaus. „Die EU ist nicht perfekt, das ist uns allen klar“, fuhr sie fort. „Sie muss besser werden. Aber ganz klar ist auch: Sie darf nicht sterben.“
Neben dem Verein Städte Partner, die auch Biberachs Partnerstädte auf die Bühne brachten, nahmen auch mehrere Schulen an der Kundgebung teil. Die Big Band des Pestalozzi-Gymnasiums lieferte die einleitende Musik und brachte Stimmung auf, eine Schülerin des Wieland Gymnasiums warb dafür, niemals die Macht einer einzelnen Person in die Hand zu geben und Schüler und Schülerinnen des BischofSproll-Bildungszentrums zählten die Vorteile auf, die die EU bringen würde, wie Frieden, viele Rechte, den Binnenmarkt oder auch die Freizügigkeit im Schengenraum.
Gerade die jüngeren Menschen auf der Bühne und im Publikum kennen Europa ohne diese Vorteile nicht mehr. Dennoch dürften sie nicht selbstverständlich werden, hieß es immer wieder. Auch Poetry-Slammerin Lea Weiss griff das in ihrem Beitrag auf. „Stillsitzen, nichts tun, ausruhen, Dinge als selbstverständlich abtun: Das ist falsch“, sagte sie. „Es muss klar sein, dass jeder hier für Freiheit kämpft.“
Für die junge Künstlerin war es das erste Mal auf so großer Bühne,
doch auch Verena Fürgut von der Stadt Biberach feierte eine Premiere: Ihren ersten Redebeitrag auf einer Kundgebung, dazu in ihrer neuen Rolle als Dezernentin für Bildung und Kultur, die sie offiziell am 1. Mai antritt. „Ich freue mich sehr, dass es das Thema Europa ist“, sagte sie, denn das liege ihr schon seit Schulzeiten besonders am Herzen. Gerade der Wirtschaftsstandort Biberach sei auf internationale Fachkräfte angewiesen und profitiere daher enorm etwa von dem Recht auf Freizügigkeit. Es brauche aber
großen politischen Willen, 27 Staaten zusammenzubringen und zusammenzuhalten. „Wir sehen innerhalb Deutschlands, wie schwer das schon mit 16 Bundesländern ist. Und trotzdem gelingt es hier“, sagte sie.
Die Idee für eine solche Kundgebung in Biberach hatte Daniela Klug. Sie kennt Annette Rueß privat und habe beim letzten Treffen mit ihr erkannt: „Wir brauchen diesen Puls hier auch in Biberach, diesen guten Puls.“Eigentlich sei sie gar nicht politisch engagiert, verriet sie am Rande der Veranstaltung.
„Umso mehr ich mich damit beschäftigt habe, umso mehr habe ich verstanden, dass wir uns hierfür einsetzen müssen“, sagt sie nun jedoch. Von der Kundgebung nun sei sie „überwältigt“gewesen. Im Vorhinein hätte sie nicht abschätzen können, ob oder wie gut es funktioniert, ob Leute kommen oder mitmachen wollen.
„Politik darf auch kreativ gelebt und erlebt werden“, sagte sie und meinte genau solche Veranstaltungen wie die Kundgebung. Wie fast alle Redner bei der Kundgebung
warb sie vor allem für eines: Wählen zu gehen. „Politikverdrossenheit können wir uns gerade jetzt nicht erlauben“, sagte sie. „Jeder kann was tun und was bewegen.“
Immer wieder betonten die Teilnehmer der Kundgebung, dass jede Stimme zähle. Bei der Kundgebung verschafften sie sich zumindest schon mal Gehör.
Die Plakate, die im Rahmen der Kundgebung gezeigt wurden, sind ab 6. Mai im Rathaus ausgestellt.