Ende mit Niveau
Der SWR zeigt heute das letzte „Nachtcafé“mit Moderator Wieland Backes
LUDWIGSBURG (dpa) - Fast 28 Jahre, 706 Shows, 5000 Gäste: das SWR„Nachtcafé“mit Wieland Backes hat viele andere Talkrunden im deutschen TV überlebt. Heute strahlt der SWR die letzte Folge mit Backes aus.
Seine letzten Worte als Moderator des Talkshow-Klassikers sind sehr typisch für Wieland Backes: „Es war einfach schön“, sagt der 68-Jährige – und verlässt mit einem großen Strauß Rosen im Arm das Barockschlösschen Favorite in Ludwigsburg. Behutsam hat der gebürtige Österreicher die Show geleitet, die als Unikum im deutschen Fernsehen gilt. Mit Backes gehe der „ungekrönte König des Niveau-Talks“, hat der SWR über ihn geschrieben.
Sein letztes „Nachtcafé“wird heute um 22 Uhr im SWR-Fernsehen ausgestrahlt. Es ist seine 706. Folge. Im Januar übernimmt der ehemalige „Sportstudio“-Moderator Michael Steinbrecher (49). Nach dem Moderatorenwechsel zieht mit der Show nach Baden-Baden.
Aus dem Nebel taucht der Überraschungsgast für das Finale bei der Aufzeichnung auf: Dieter Wedel, Re- gisseur und Festspiel-Intendant. Zur Feier des Tages ist der 72-Jährige an den Ort zurückgekehrt, den er im Mai 1999 wutschnaubend verlassen hatte. Ein Vorfall, der in die Geschichte des „Nachtcafés“eingegangen ist, weil er dank der Besonnenheit von Backes eigentlich gar nicht möglich war. „Sie haben die Menschen mit leiser Art zum Sprechen gebracht“, bekennt sich der Entertainer Harald Schmidt als „Nachtcafé“Fan. Krawall oder Ausrasten hatten da keinen Platz.
Wedels Wutanfall
„Ich muss da unendlich humorlos herausgestapft sein“, erinnert sich Wedel. Ihm sei nicht klar gewesen, dass es in der Sendung um das Thema Treue ging. Als ein anderer Gast Wedel verbal unter der Gürtellinie anging, platze dem Regisseur der Kragen. Schimpfend verließ er in Minute acht das Studio. Backes blieb ruhig – und rief ihm nur noch nach, er möge daheim schöne Grüße bestellen.
„Es ist ein glückliches Ende“, sagt Backes beim Finale, das er deshalb unter das Thema „Happy End“gestellt hat. Er habe irgendwann das Gefühl gehabt „Ich habe lange genug gesendet“, bekannte er im Sommer. Aufhören auf der Höhe des Erfolgs, das sei stets sein Ziel gewesen.
In seinem letzten „Nachtcafé“spricht Backes mit Zwillingen, die sich 26 Jahre lang nicht kannten. Und mit einer Frau, die nach Scheidung und Operation ihr „Happy End“in Schottland fand. Mit Entertainer Harald Schmidt, Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) oder der Schauspielerin Ute Lemper ist die Promi-Dichte auf den Sofas beim Finale ungewöhnlich hoch. Schließlich waren von den 5000 Gästen über die Hälfte No-Names.
Ihm sei der Spitzenpolitiker oder der Showstar „genauso lieb und wichtig wie ein Hartz-IV-Empfänger aus Wanne-Eickel oder eine Aussteigerin von den Fidschi-Inseln“, sagte Backes einmal. Der SWR verspricht, daran nichts zu ändern.
Intime Bekenntnisse
Backes wuchs in der Nähe von Backnang auf. Er studierte Chemie und Geografie an der Uni Stuttgart und schrieb seine Doktorarbeit über die Lebensbedingungen in Ballungsräumen. Als „letzter Niveautalker“wurde er bezeichnet. Stets ruhig, behutsam, charmant und neugierig gelang es ihm, seinen Gästen teils intimste Erlebnisse zu entlocken. Bei Steinbrecher sieht er sein Lebenswerk in guten Händen.
Sein Team schenkt ihm zum Abschied einen italienischen PaniniGrill, weil Backes in Pausen stets so gerne Thunfischtoast aß. Jeder Mitarbeiter überreicht ihm zudem eine Rose. So verlässt Backes das Schloss so, wie er es 1987 betrat: mit einem großen Blumenstrauß im Arm. Nur eben 27 Jahre und zehn Monate älter.