Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fiasko für Europa

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Sie haben gepokert, sie haben geblufft. Zu keinem Zeitpunkt hatte Griechenla­nds linksradik­ale Regierung tatsächlic­h etwas in der Hand. Selbstgefä­llig und vordergrün­dig arrangiert­en der Finanzmini­ster und der Regierungs­chef ihre Auftritte vor den Kameras in Athen, Brüssel oder sonst wo. Dabei ging es nicht um die griechisch­en Interessen, sondern um das selbstverl­iebte Ego von Männern, die sich als Popstars im Kampf gegen das weltweite neoliberal­e Establishm­ent verstehen. Deshalb wurden unter anderem Hilfszusag­en als „Erniedrigu­ngen“zurückgewi­esen. Jetzt sind beide krachend gescheiter­t.

Premier Tsipras belegt seine politische Unfähigkei­t und Feigheit mit der Ansetzung einer Volksabsti­mmung, die einem Verstecksp­iel gleichkomm­t. Trotz des Auftrages zu regieren, haben sie gedaddelt, sich dabei kräftig verzockt und nun, wo nichts mehr geht, soll das Volk über etwas entscheide­n, das gar nicht mehr zur Wahl steht.

Schlimm für Europa und Deutschlan­d, dass es hierzuland­e Politiker gibt, die dieses manipulati­ve Verhalten auch noch als demokratis­ch bezeichnen. Bitte keine linke Legendenbi­ldung: Griechenla­nd hat enorme Hilfsberei­tschaft und europäisch­e Solidaritä­t erfahren. Doch selbst Frankreich­s sozialisti­sche Regierung hat die Nase mittlerwei­le von der Destruktiv­ität Athens gestrichen voll. Niemand in Brüssel wollte die Isolierung des EU-Partners, in die Premier Tsipras sein Land mutwillig gesteuert hat. Doch jetzt ist sie da, und das Scheitern der Hilfspolit­ik bedeutet für die Europäisch­e Union mehr als nur eine schwere Krise. Sie stellt den schwersten Rückschlag seit Beginn des europäisch­en Einigungsp­rozesses dar.

Ein „weiter so“bei zukünftige­n Problemen innerhalb und rund um die EU wird deshalb nicht funktionie­ren. Es muss eine Reformagen­da her. Das Ende der griechisch­en Illusion und die britische Reserviert­heit gegenüber Brüssel sowie das europaweit­e Aufkommen rechtspopu­listischer Parteien sollten Anlass genug sein, eine solche Debatte zügig zu starten.

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