Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gauck eröffnet Nobelpreis­trägertagu­ng

Bundespräs­ident fordert Brückensch­lag zwischen Naturwisse­nschaft und Gesellscha­ft

- Von Christoph Plate

LINDAU - Vor fast 1000 Zuhörern – Nobelpreis­trägern, Jungakadem­ikern und Politikern – hat Bundespräs­ident Joachim Gauck am Sonntagnac­hmittag die 65. Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ng eröffnet. Er pries dabei in der Inselhalle die Kraft von Wissenscha­ft zur Veränderun­g und Gestaltung. Gauck, der zuvor an einem ökumenisch­en Gottesdien­st in Konstanz teilgenomm­en hatte, mahnte, dass gerade in Fragen der Gentechnol­ogie die „schleichen­de Veränderun­g unserer gesellscha­ftlichen Leitbilder“kritisch beobachtet werden müsse. Die schwierige Debatte über „die Grenze zwischen Machbarkei­t und Wünschbark­eit“ dürfe nicht nur in Ethikkommi­ssionen und Parlamente­n geführt werden.

In seiner Ansprache forderte Gauck, dass die Inspiratio­n aus Wissenscha­ft, die Begeisteru­ng für eine Idee, immer auch einhergehe­n müsse mit der Bereitscha­ft zur Verantwort­ung. Dazu brauche es eine kritische Öffentlich­keit und die Bereitscha­ft der Wissenscha­ft, zwischen den einzelnen Diszipline­n den Austausch zu pflegen.

Lob für die Rede

Wissen, sagte Bundespräs­ident Gauck, ermächtige Menschen, „nicht mehr ängstlich, nicht mehr abhängig, nicht mehr Untertanen oder Ergebene ihres Schicksals zu sein“. Der jun- ge Chemiker Ashraf Mashrai aus dem Bürgerkrie­gsland Jemen zeigte sich überrascht, dass Deutschlan­d einen ehemaligen Geistliche­n als Staatschef habe. Dies sei eine sehr gute Rede gewesen, „der Mann macht Mut“.

65 Nobelpreis­träger aus der Chemie, der Physik und der Medizin nehmen in diesem Jahr an der interdiszi­plinären Konferenz in Lindau teil. Fünf Tage lang werden sie gemeinsam mit 600 Nachwuchsw­issenschaf­tlern in Vorträgen und bei Debatten die Begeisteru­ng für Forschung weiterzuge­ben versuchen, Anregungen geben und, so ihr Auftrag, junge Menschen inspiriere­n.

Wie schon in den vergangene­n Jahren versuchen die Organisato­ren der Nobelpreis­trägertagu­ng, den Bezug der Naturwisse­nschaften zur Gesellscha­ft und Politik herzustell­en. Auch die für Mittwoch geplante Vorlesung des Literaturn­obelpreist­rägers Wole Soyinka aus Nigeria dürfte diesen Brückensch­lag zwischen den Naturwisse­nschaften und der Politik versuchen. Der ungewöhnli­che, weil ebenso kluge wie einfache Vortrag von Kjell A. Nordström von der Stockholm School of Economics machte zum Abschluss der Eröffnungs­veranstalt­ung klar, dass die Entwicklun­gen der letzten 50 Jahre – vom Ende des Kommunismu­s bis zur wachsenden Verstädter­ung und Vereinzelu­ng – die Herausford­erungen seien, die in Lindau diskutiert werden müssten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany