Gauck eröffnet Nobelpreisträgertagung
Bundespräsident fordert Brückenschlag zwischen Naturwissenschaft und Gesellschaft
LINDAU - Vor fast 1000 Zuhörern – Nobelpreisträgern, Jungakademikern und Politikern – hat Bundespräsident Joachim Gauck am Sonntagnachmittag die 65. Lindauer Nobelpreisträgertagung eröffnet. Er pries dabei in der Inselhalle die Kraft von Wissenschaft zur Veränderung und Gestaltung. Gauck, der zuvor an einem ökumenischen Gottesdienst in Konstanz teilgenommen hatte, mahnte, dass gerade in Fragen der Gentechnologie die „schleichende Veränderung unserer gesellschaftlichen Leitbilder“kritisch beobachtet werden müsse. Die schwierige Debatte über „die Grenze zwischen Machbarkeit und Wünschbarkeit“ dürfe nicht nur in Ethikkommissionen und Parlamenten geführt werden.
In seiner Ansprache forderte Gauck, dass die Inspiration aus Wissenschaft, die Begeisterung für eine Idee, immer auch einhergehen müsse mit der Bereitschaft zur Verantwortung. Dazu brauche es eine kritische Öffentlichkeit und die Bereitschaft der Wissenschaft, zwischen den einzelnen Disziplinen den Austausch zu pflegen.
Lob für die Rede
Wissen, sagte Bundespräsident Gauck, ermächtige Menschen, „nicht mehr ängstlich, nicht mehr abhängig, nicht mehr Untertanen oder Ergebene ihres Schicksals zu sein“. Der jun- ge Chemiker Ashraf Mashrai aus dem Bürgerkriegsland Jemen zeigte sich überrascht, dass Deutschland einen ehemaligen Geistlichen als Staatschef habe. Dies sei eine sehr gute Rede gewesen, „der Mann macht Mut“.
65 Nobelpreisträger aus der Chemie, der Physik und der Medizin nehmen in diesem Jahr an der interdisziplinären Konferenz in Lindau teil. Fünf Tage lang werden sie gemeinsam mit 600 Nachwuchswissenschaftlern in Vorträgen und bei Debatten die Begeisterung für Forschung weiterzugeben versuchen, Anregungen geben und, so ihr Auftrag, junge Menschen inspirieren.
Wie schon in den vergangenen Jahren versuchen die Organisatoren der Nobelpreisträgertagung, den Bezug der Naturwissenschaften zur Gesellschaft und Politik herzustellen. Auch die für Mittwoch geplante Vorlesung des Literaturnobelpreisträgers Wole Soyinka aus Nigeria dürfte diesen Brückenschlag zwischen den Naturwissenschaften und der Politik versuchen. Der ungewöhnliche, weil ebenso kluge wie einfache Vortrag von Kjell A. Nordström von der Stockholm School of Economics machte zum Abschluss der Eröffnungsveranstaltung klar, dass die Entwicklungen der letzten 50 Jahre – vom Ende des Kommunismus bis zur wachsenden Verstädterung und Vereinzelung – die Herausforderungen seien, die in Lindau diskutiert werden müssten.