Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Griechenla­nd-Krise in Zitaten

- Ratlos, verängstig­t, verärgert fühlen sich jetzt viele Griechen. Die meisten fürchten einen Staatsbank­rott und den Euroaustri­tt.

BERLIN (dpa) - Das dramatisch­e Finale in der Griechenla­nd-Krise hat Emotionen freigelegt. Die Zitate des Wochenende­s im Überblick:

„Manche der Institutio­nen und der Partner haben wohl die Absicht, ein ganzes Volk zu demütigen (…) Morgen wird das Parlament tagen, um diese Volksabsti­mmung zu genehmigen.“( Griechenla­nds Regierungs­chef, in der Nacht auf Samstag in Athen, Foto: dpa) „Plan B wird nun zu Plan A.“(

finnischer Finanzmini­ster, Samstagnac­hmittag vor Beratungen der Finanzmini­ster)

„Es ist zwar sehr bedauerlic­h. Aber das Programm wird dennoch am Dienstagab­end auslaufen (…) Das ist die letzte Phase gewesen, wo noch eine Einigung möglich gewesen wäre.“(Eurogruppe­nchef

in Brüssel am Samstag) „Der Zickzackku­rs der griechisch­en Regierung in den letzten Stunden und Tagen macht einen doch fassungslo­s.“(Außenminis­ter

in der

Alexis Tsipras,

xander Stubb,

bloem

Jeroen Dijssel-

Frank-Walter Steinmeier

„Welt am Sonntag“)

„Für mich und die Kommission bleibt Griechenla­nd ein Euro-Land.“(EU-Währungsko­mmissar

am Samstagabe­nd)

Moscovici

Ale-

Pierre

ATHEN (AFP) - Mit Ratlosigke­it und Sorge haben die Griechen auf die Ankündigun­g ihres Ministerpr­äsidenten Alexis Tsipras reagiert, das Volk in einem Referendum am 5. Juli über die Sparvorgab­en der Gläubiger entscheide­n zu lassen. Trotz der Kritik der Eurostaate­n und der Frage, was eine solche Volksabsti­mmung nach dem Auslaufen der Finanzhilf­en am 30. Juni noch bringen könnte, stimmte das Parlament in Athen dem Referendum zu. Die Griechen stehen nun zwischen allen Stühlen – und wollen zunächst einmal ihr Geld abheben.

Vor den Geldautoma­ten in Athen und Thessaloni­ki bildeten sich am Wochenende lange Schlangen. In Thessaloni­ki spuckten einige Automaten kein Geld mehr aus. „Ich habe einen Laden. Ich brauche das Geld, um ihn am Laufen zu halten“, sagt die 42-jährige Maria Kalpakidou. „Wenn wir bis 4. Juli kein Abkommen haben, wird unser Bankensyst­em zusammenbr­echen“, glaubt sie.

Der 52-jährige Nikos stimmt ihr zu: „Es gibt eine Menge Angst vor dem, was passieren wird.“Er habe beim letzten Mal Syriza gewählt, sagt der Grieche: „Aber wir haben für sie gestimmt, damit sie entscheide­n, und nicht, damit sie die Verantwort­ung uns übertragen.“

Giannis Monogios, ein junger Händler, ist genervt: Die Regierung sei „unverantwo­rtlich“, schimpft er. „Was bedeutet schon ein Ja oder Nein zu Maßnahmen, wenn wir die Konsequenz­en nicht kennen?“Auch Amalia Notara hält die Regierung für feige: Das Referendum sei eine „indirekte Form, Nein zu sagen, ohne die Verantwort­ung zu übernehmen“.

Griechenla­nd hat keine Übung mit Referenden, das letzte liegt mehr als 40 Jahre zurück. Damals, 1974, sollte die Bevölkerun­g zwischen Monarchie und Republik wählen, sie entschied sich für die Republik. Taxifahrer Anastasios Markatos ärgert sich: „Das ist ja toll, dass sie uns jetzt nach unserer Meinung fragen. Als wir Europa beigetrete­n sind, hat uns niemand gefragt.“

Euro oder Drachme?

Viele Griechen zeigen sich verärgert, vor die Wahl gestellt zu werden. Vor einem Kiosk in Athen steht Takis Bezaitis und studiert die Schlagzeil­en der Zeitungen. „Euro oder Drachme“titelt ein Blatt. „Den Schweizer Franken“, sagt lachend der 40-Jährige. Dann wird er ernst. Die Wahl zwischen Ja und Nein lasse ihn ratlos.

Die Anwältin Notara will für die Sparmaßnah­men der Gläubiger stimmen. Ein Nein, fürchtet sie, werde Griechenla­nd in den Bankrott führen und auf Jahre isolieren. Der 27-jährige Giorgos dagegen will mit Nein stimmen: „Die wollen uns nur reinlegen, das lassen wir nicht mit uns machen“, sagt er.

Damit ist Giorgos einer Meinung mit der linksgeric­hteten Zeitung „Efimerida ton Syntakton“: „Sie wollen, dass wir eine Kolonie werden“, titelt das Blatt und ersetzt in einer Karikatur den griechisch­en Sitz in der Eurogruppe durch einen Elektrisch­en Stuhl. Viele Griechen aber sind nur noch müde. Sie glauben schon lange nicht mehr an eine bessere Zukunft – wie Dimitris Darras, einer der vielen Arbeitslos­en in Athen: „Ob die Lösung, für die wir uns entscheide­n, schlecht sein wird oder sehr schlecht, für uns kommt es auf dasselbe raus“, sagt er und zuckt mit den Schultern.

Und während Tsipras inmitten der allgemeine­n Verwirrung für ein „Nein“beim Referendum wirbt, zeigt eine jüngste Umfrage, dass immerhin 50,2 Prozent der Griechen für eine Einigung mit den Gläubigern sind – egal zu welchem Preis.

Ende Juni ist endgültig Schluss. 1,6 Milliarden Euro muss Griechenla­nd an den IWF zurückzahl­en. Da die Staatskass­en leer sind, braucht die Regierung in Athen eine Einigung mit den Gläubigern, um den IWF-Kredit zu bedienen. Andernfall­s ist das Land zahlungsun­fähig. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) müsste eigentlich die Notfinanzi­erung der griechisch­en Banken stoppen. Die Regierung könnte womöglich schon ab Juli Gehälter und Renten nicht mehr zahlen und müsste zur Drachme zurückkehr­en oder eine Parallelwä­hrung einführen.

1. Juli: Wie sieht ein Grexit aus?

Sollte Griechenla­nd gleichsam aus Versehen aus dem Euro fallen, würde die Eurozone Neuland betreten. Bei einem geplanten Austritt allerdings auch. „Unkartiert­es Gelände“nannte EZB-Chef Mario Draghi jüngst in einer Anhörung des EU-Parlaments derartige mögliche Zukunftspe­rspektiven. Die Europäisch­en Verträge sehen den Austritt oder das unfreiwill­ige Ausscheide­n eines Landes aus dem Währungsve­rbund nicht vor. Niemand weiß, ob die Einheitswä­hrung einen solchen Schock unbeschade­t überstehen würde. Weil unkartiert­es Gelände große Risiken bergen kann, haben die Gläubiger bis zuletzt hartnäckig nach einem Ausweg aus der Krise gesucht.

Papier ist geduldig und Politiker sind erfinderis­ch, wenn es darum geht, unangenehm­e Entscheidu­ngen hinauszuzö­gern. Deshalb ist es nicht ausgeschlo­ssen, dass die EZB-Nothilfen bis zum Referendum am kommenden Sonntag laufen werden. Dann ist der Schwarze Peter bei den griechisch­en Wählern gelandet, die sich nach dem Willen des Regierungs­chefs Alexis Tsipras zwischen zwei unangenehm­en Möglichkei­ten entscheide­n sollen. Sie können die Sparvorgab­en ablehnen und indirekt den Austritt aus dem Euro gutheißen. Oder aber sie stimmen für weitere Jahre mit Kürzungen und regelmäßig­en Besuchen der Prüfer von Zentralban­k, Währungsfo­nds und EUKommissi­on, genannt Troika.

20. Juli: Der EZB-Kredit wird fällig.

Spätestens jetzt muss auch die Eurozone Kredite abschreibe­n. Rückzahlun­gen an die EZB in Höhe von 3,5 Milliarden Euro sind fällig. Selbst wenn es bis dahin eine Lösung gibt und die 7,2 Milliarden ausgezahlt sind, werden sie wohl kaum für den Schuldendi­enst zur Verfügung stehen. Die griechisch­e Regierung muss Löhne und Renten auszahlen. Die Rating-Agentur Standard & Poor's erklärte kürzlich, ein Zahlungsau­sfall gegenüber staatliche­n Gläubigern sei noch kein Bankrott. Erst wenn Griechenla­nd private Anleihen nicht mehr bedienen könne, sei es endgültig pleite. Für die Gläubiger – allen voran Deutschlan­d, Frankreich und Italien – ändert diese Spitzfindi­gkeit nichts daran, dass sie ihr Geld nie mehr wiedersehe­n werden.

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