Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Euro steht wieder im Feuer

- Von Markus A. Will Vor Bankautoma­ten in Athen bildeten sich lange Schlangen.

sch over. Wer hätte gedacht, dass Wolfgang Schäubles vor Wochen gemachte witzige Bemerkung doch noch todernst werden würde. Gehen wir heute einmal vom Grexit aus, vom Ausscheide­n Griechenla­nds aus der gemeinsame­n Währung. Lassen wir Konjunktiv­e, Papiere und Reden der Vergangenh­eit beiseite. Was jetzt? Pragmatisc­h interessie­rt uns Deutsche und Europäer nun eine Frage: Steigt oder fällt der Euro? Was ist der Euro jetzt (noch) wert? Droht eine neue Finanzkris­e mit existenzie­llen Gefahren für Europa. Die Antwort ist leider weder einfach noch eindeutig.

Stellt man sich auf den Standpunkt, dass die Eurogruppe zu Recht standhaft geblieben ist, müsste die Entscheidu­ng gegen Griechenla­nd im Grunde die institutio­nelle Verfassthe­it des Euro stärken und den Kurs beflügeln. Sollten die Skeptiker Recht haben, dass diese Entscheidu­ng das Euroland und die Europäisch­e Union ins Chaos stürzt, dies gar den Anfang vom Ende der Gemeinscha­ftswährung bedeutet, müsste der Euro fallen.

Der Streit zwischen Griechenla­nd und seinen Gläubigern hat viele ungelöste Probleme des Euros offengeleg­t: Allen voran, dass er „falsch herum“eingeführt worden ist. Denn eigentlich müssten die Staaten erst die Gütermärkt­e, die Steuern und Haushalte und den Politikrah­men harmonisie­ren, ehe sie zur Krönung die Währung vereinheit­lichen. Deshalb heißt das unter Ökonomen auch „Krönungsth­eorie“. Wer allerdings zuerst eine Währung einführt, müsste die fehlenden Dinge nachholen. Das wurde unterlasse­n, was das kleine Beispiel Griechenla­nd überdeutli­ch macht: Keine wettbewerb­sfähigen Güter, keine Haushaltsd­isziplin und keine gemeinsame politische Idee.

Die Eurogruppe ist zwar standhaft geblieben, aber Europa ist an seiner falsch herum gebauten Währungsun­ion gescheiter­t. Und diesel- ben Probleme wie mit Griechenla­nd werden auf Sicht auch in anderen Ländern auftauchen – in Italien oder Frankreich beispielsw­eise. Das spricht trotz Standfesti­gkeit gegen einen starken Euro.

Kommen wir zur „Chaostheor­ie“. Gibt es Hoffnung, dass doch nicht alles im Chaos versinkt? Auch die gibt es. Die Finanzmärk­te sind besser gesichert als 2010, als Griechenla­nd gegen die bestehende­n Regeln das erste Mal vor dem Bankrott bewahrt worden ist. Damals war Europa kurz nach der Pleite der US-Investment­bank Lehman Brothers und mitten in einer tiefen Weltwirtsc­haftskrise, alles war fragil und keiner wusste, was bei einer Staatsplei­te passieren könnte. Das war der tiefere Grund, warum Griechenla­nd vor fünf Jahren gerettet worden ist.

Heute sind die Anleihen aus den Bankbilanz­en, der Rettungsme­chanismus ESM (European Stability Mechanism) vorhanden und die Weltwirtsc­haft arbeitet wieder. Man muss das alles nicht mögen (beispielsw­eise die Bankenrett­ung), aber es ist unwahrsche­inlich, dass über die Griechenpl­eite eine Bank in Frankreich, Italien oder Deutschlan­d pleite gehen könnte. Das spricht – trotz Verwirrung und Unsicherhe­it – für eine Eurostärke an den Märkten.

„Dieselben Probleme wie mit Griechenla­nd werden auf Sicht auch in anderen Ländern

auftauchen.“

Jetzt geht es richtig los

Die Märkte werden die verschiede­nen Standpunkt­e, die vorhandene­n Fußangeln und vor allem die nächsten Schritte der „Rest-Eurogruppe“ohne Griechenla­nd bewerten: Rauf oder runter, entweder oder – das ist hier die Frage des Tages.

Aber danach folgt erst die eigentlich entscheide­nde Frage: Wie soll es weitergehe­n mit dem Euro, der Währungsun­ion und der Europäisch­en Union überhaupt. Es ist nämlich überhaupt nicht over! Jetzt geht es erst richtig los, wenn das Friedenspr­ojekt nicht in Streit und mehr enden soll. Jetzt erst recht, wird Wolfgang Schäuble seiner Kanzlerin sagen (müssen).

Der Staatsbank­rott ist eine Frage der Definition – wenn ein Land Zinsen oder Tilgungen von Krediten nicht mehr bedienen will oder kann, ist es nach landläufig­er Meinung pleite. Die Ratingagen­turen, also die eigentlich­en Experten bei diesem Thema, interessie­ren sich bei Staaten aber überwiegen­d für Säumnisse gegenüber privaten Gläubigern wie etwa Banken oder Hedgefonds. Griechenla­nds hat seine Schulden jedoch zum größten Teil bei „öffentlich­en“Gläubigern wie dem Internatio­nalem Währungsfo­nds (IWF) oder der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Wenn Griechenla­nd solche Kredite nun nicht bedient, würde dies nicht als offizielle­r Zahlungsau­sfall gewertet.

Zahlungsun­fähigkeit:

Eine Art Mittelweg zwischen Euro und Grexit wäre die Einführung einer Parallelwä­hrung: Weil dem Staat Barmittel fehlen, zahlt er Beamte und Rentner zumindest zum Teil mit Schuldsche­inen aus. Um überhaupt noch Geschäfte zu machen, würden Händler und Dienstleis­ter die Schuldsche­ine als Zahlungsmi­ttel akzeptiere­n. Wegen des Risikos wären die Schuldsche­ine allerdings weniger Wert als der Euro.

Parallelwä­hrung:

Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ist die Notenbank aller Staaten mit dem Euro als Währung. Ihr wichtigste­r Auftrag ist die Preisstabi­lität – sie soll also zum Beispiel eine hohe Inflation verhindern. Alle Euroländer haben das gleiche Mitsprache­recht bei Entscheidu­ngen, allerdings werden die EZB-Vertreter nicht demokratis­ch gewählt. Im Fall Athens entscheide­t die EZB über das Schicksal der griechisch­en Banken, die derzeit nur durch Notfall-Hilfen der Zentralban­k überlebens­fähig sind.

Europäisch­e Zentralban­k:

Die EZB gewährt sogenannte Notfallkre­dite (im englischen Fachjargon ELA) in Milliarden­höhe. Sie sind allerdings an Bedingunge­n geknüpft. Die Entscheidu­ng über eine Fortsetzun­g fällt der EZB-Rat mit Zweidritte­lmehrheit. (dpa/AFP)

ELA-Nothilfen:

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