Der Euro steht wieder im Feuer
sch over. Wer hätte gedacht, dass Wolfgang Schäubles vor Wochen gemachte witzige Bemerkung doch noch todernst werden würde. Gehen wir heute einmal vom Grexit aus, vom Ausscheiden Griechenlands aus der gemeinsamen Währung. Lassen wir Konjunktive, Papiere und Reden der Vergangenheit beiseite. Was jetzt? Pragmatisch interessiert uns Deutsche und Europäer nun eine Frage: Steigt oder fällt der Euro? Was ist der Euro jetzt (noch) wert? Droht eine neue Finanzkrise mit existenziellen Gefahren für Europa. Die Antwort ist leider weder einfach noch eindeutig.
Stellt man sich auf den Standpunkt, dass die Eurogruppe zu Recht standhaft geblieben ist, müsste die Entscheidung gegen Griechenland im Grunde die institutionelle Verfasstheit des Euro stärken und den Kurs beflügeln. Sollten die Skeptiker Recht haben, dass diese Entscheidung das Euroland und die Europäische Union ins Chaos stürzt, dies gar den Anfang vom Ende der Gemeinschaftswährung bedeutet, müsste der Euro fallen.
Der Streit zwischen Griechenland und seinen Gläubigern hat viele ungelöste Probleme des Euros offengelegt: Allen voran, dass er „falsch herum“eingeführt worden ist. Denn eigentlich müssten die Staaten erst die Gütermärkte, die Steuern und Haushalte und den Politikrahmen harmonisieren, ehe sie zur Krönung die Währung vereinheitlichen. Deshalb heißt das unter Ökonomen auch „Krönungstheorie“. Wer allerdings zuerst eine Währung einführt, müsste die fehlenden Dinge nachholen. Das wurde unterlassen, was das kleine Beispiel Griechenland überdeutlich macht: Keine wettbewerbsfähigen Güter, keine Haushaltsdisziplin und keine gemeinsame politische Idee.
Die Eurogruppe ist zwar standhaft geblieben, aber Europa ist an seiner falsch herum gebauten Währungsunion gescheitert. Und diesel- ben Probleme wie mit Griechenland werden auf Sicht auch in anderen Ländern auftauchen – in Italien oder Frankreich beispielsweise. Das spricht trotz Standfestigkeit gegen einen starken Euro.
Kommen wir zur „Chaostheorie“. Gibt es Hoffnung, dass doch nicht alles im Chaos versinkt? Auch die gibt es. Die Finanzmärkte sind besser gesichert als 2010, als Griechenland gegen die bestehenden Regeln das erste Mal vor dem Bankrott bewahrt worden ist. Damals war Europa kurz nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers und mitten in einer tiefen Weltwirtschaftskrise, alles war fragil und keiner wusste, was bei einer Staatspleite passieren könnte. Das war der tiefere Grund, warum Griechenland vor fünf Jahren gerettet worden ist.
Heute sind die Anleihen aus den Bankbilanzen, der Rettungsmechanismus ESM (European Stability Mechanism) vorhanden und die Weltwirtschaft arbeitet wieder. Man muss das alles nicht mögen (beispielsweise die Bankenrettung), aber es ist unwahrscheinlich, dass über die Griechenpleite eine Bank in Frankreich, Italien oder Deutschland pleite gehen könnte. Das spricht – trotz Verwirrung und Unsicherheit – für eine Eurostärke an den Märkten.
„Dieselben Probleme wie mit Griechenland werden auf Sicht auch in anderen Ländern
auftauchen.“
Jetzt geht es richtig los
Die Märkte werden die verschiedenen Standpunkte, die vorhandenen Fußangeln und vor allem die nächsten Schritte der „Rest-Eurogruppe“ohne Griechenland bewerten: Rauf oder runter, entweder oder – das ist hier die Frage des Tages.
Aber danach folgt erst die eigentlich entscheidende Frage: Wie soll es weitergehen mit dem Euro, der Währungsunion und der Europäischen Union überhaupt. Es ist nämlich überhaupt nicht over! Jetzt geht es erst richtig los, wenn das Friedensprojekt nicht in Streit und mehr enden soll. Jetzt erst recht, wird Wolfgang Schäuble seiner Kanzlerin sagen (müssen).
Der Staatsbankrott ist eine Frage der Definition – wenn ein Land Zinsen oder Tilgungen von Krediten nicht mehr bedienen will oder kann, ist es nach landläufiger Meinung pleite. Die Ratingagenturen, also die eigentlichen Experten bei diesem Thema, interessieren sich bei Staaten aber überwiegend für Säumnisse gegenüber privaten Gläubigern wie etwa Banken oder Hedgefonds. Griechenlands hat seine Schulden jedoch zum größten Teil bei „öffentlichen“Gläubigern wie dem Internationalem Währungsfonds (IWF) oder der Europäischen Zentralbank (EZB). Wenn Griechenland solche Kredite nun nicht bedient, würde dies nicht als offizieller Zahlungsausfall gewertet.
Zahlungsunfähigkeit:
Eine Art Mittelweg zwischen Euro und Grexit wäre die Einführung einer Parallelwährung: Weil dem Staat Barmittel fehlen, zahlt er Beamte und Rentner zumindest zum Teil mit Schuldscheinen aus. Um überhaupt noch Geschäfte zu machen, würden Händler und Dienstleister die Schuldscheine als Zahlungsmittel akzeptieren. Wegen des Risikos wären die Schuldscheine allerdings weniger Wert als der Euro.
Parallelwährung:
Die Europäische Zentralbank (EZB) ist die Notenbank aller Staaten mit dem Euro als Währung. Ihr wichtigster Auftrag ist die Preisstabilität – sie soll also zum Beispiel eine hohe Inflation verhindern. Alle Euroländer haben das gleiche Mitspracherecht bei Entscheidungen, allerdings werden die EZB-Vertreter nicht demokratisch gewählt. Im Fall Athens entscheidet die EZB über das Schicksal der griechischen Banken, die derzeit nur durch Notfall-Hilfen der Zentralbank überlebensfähig sind.
Europäische Zentralbank:
Die EZB gewährt sogenannte Notfallkredite (im englischen Fachjargon ELA) in Milliardenhöhe. Sie sind allerdings an Bedingungen geknüpft. Die Entscheidung über eine Fortsetzung fällt der EZB-Rat mit Zweidrittelmehrheit. (dpa/AFP)
ELA-Nothilfen: