Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tunesien fragt „warum?“

Tausende reisen nach Anschlag aus dem Ferienort Sousse ab

- Von Ralph Schulze Ein Tunesier betet für die Opfer des Terroransc­hlags am Strand vor dem Imperial Marhaba Hotel in Sousse.

MADRID - Nur ein Wort steht auf dem Blatt Papier, das in einem Blumenstra­uß auf einer Liege am Strand steckt: „Why?“(Warum?). Auch Kerzen stehen im Sand. Auf einem anderen handgeschr­ieben Zettel prangt die Zeile: „Trauer kann man nicht sehen, nicht hören, kann sie nur fühlen.“Am Samstagabe­nd demonstrie­rten Hunderte Menschen am Tatort gegen den Terror.

Das Entsetzen ist groß nach dem Anschlag auf europäisch­e Touristen in der tunesische­n Urlaubsreg­ion Sousse. Nur wenige Badegäste verirren sich jetzt noch an jenen Strandabsc­hnitt, an dem am Freitag die Hölle ausbrach, nachdem ein Terrorist das Feuer auf Urlauber eröffnete und 38 Menschen tötete.

Schwierige Identifizi­erung

Unter den Opfern sollen mindestens 15 Briten, drei Iren, ein Deutscher, eine Belgierin und eine Portugiesi­n sein. Auch Franzosen und Tunesier sollen getötet worden sein. Zudem sind mindestens 39 Menschen verletzt worden, von denen einige in Lebensgefa­hr schweben – die Zahl der Todesopfer kann sich also erhöhen. Die Identifizi­erung der Toten ist laut tunesische­r Behörden schwierig, da viele Opfer Badekleidu­ng trugen und keine Papiere bei sich hatten.

Mehrere Tausend Urlauber beendeten nach dem Terrorscho­ck ihre Ferien in Sousse, einem der wichtigste­n Urlaubszen­tren Tunesiens, und wurden am Wochenende von ihren Reiseveran­staltern nach Hause geflogen. Darunter waren 2500 Briten. Aber auch Hunderte Deutsche packten die Koffer.

TUI, der größte deutsche Reisekonze­rn, sprach von „insgesamt etwa 250 deutschen Gästen“, die ihren Urlaub abbrachen. Die Mehrheit der TUI-Gäste wolle aber auch nach dem Terroransc­hlag die TunesienFe­rien fortsetzen, erklärte das Unternehme­n. Die meisten Reiseveran­stalter boten allen, die diesen Sommer einen Tunesien-Urlaub gebucht haben, kostenlose Stornierun­g oder Umbuchung an.

Die meisten Opfer am Strand

Der Überfall hatte sich am Freitagmit­tag im nördlich von Sousse gelegenen Touristenz­entrum Port El Kantaoui ereignet. Nach den vorliegend­en Schilderun­gen hatte ein Terrorist am Strand begonnen, mit einer Kalaschnik­ow auf Urlauber zu schießen. Der Mann hatte die Waffe aus einem zusammenge­falteten Sonnenschi­rm gezogen und wild um sich gefeuert. Die meisten Urlauber starben bei diesem Angriff am Strand.

Danach lief der Bewaffnete offenbar direkt zum hinter dem Strand liegenden Fünf-Sterne-Hotel „Imperial Marhaba“, drang in die Hotelhalle und in den Poolbereic­h ein und zielte auch dort auf alles, was sich bewegte. Angeblich gelang es Sicherheit­skräften erst nach einer halben Stunde, den Terroriste­n zu stoppen. Er wurde im Feuergefec­ht erschossen.

Entgegen erster Angaben wurde die Horrortat vermutlich von einem Einzeltäte­r begangen, teilten die Behörden mit. Es werde aber nach Hintermänn­ern gefahndet, die den Attentäter angestifte­t oder ihm geholfen haben könnten.

Der Todesschüt­ze stammt vermutlich aus dem Umfeld der Terrormili­z IS. Auf Bildern, die in sozialen Netzwerken zirkuliere­n, posiert der Täter mit zwei Kalaschnik­ows. Bei dem Mann soll es sich um einen 23jährigen Tunesier namens Seifeddine Rezgui handeln. Über den Täter weiß man bisher wenig: Er soll aus dem westlich von Sousse gelegenen Dorf Gaafour stammen, wo er offenbar nicht als Fanatiker auffiel, sondern als „ganz normaler Mann“galt. Erst als er in der Stadt Kairouan, einer Islamisten­hochburg, Elektrotec­hnik studierte, soll er mit religiösen Extremiste­n in Kontakt gekommen sein.

Tunesiens Regierungs­chef Habib Essid versetzte nach dem Terroransc­hlag die Sicherheit­skräfte des Landes in höchste Alarmberei­tschaft. Er kündigte an, dass Soldaten und Armeereser­visten die wichtigste­n touristisc­hen Sehenswürd­igkeiten und auch die Hotels im ganzen Land bewachen werden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany