Terror und Klimawandel bedrohen Kulturstätten
Unesco-Welterbekomitee trifft sich in Bonn
BONN (epd) - Seit gestern tagt das Welterbekomitee der Unesco in Bonn. Eigentlich sollte es im World Conference Center in der Stadt am Rhein darum gehen, welche Monumente neu in die Welterbeliste aufgenommen werden sollen. Aber angesichts der politischen Entwicklungen im Nahen Osten werden sich die 1000 Delegierten vor allem über die Schäden unterhalten, die die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) anrichtet. Vor einigen Wochen haben die Fanatiker die antike syrische Oasenstadt Palmyra erobert. Bereits im März hatte die Zerstörung der irakischen Stadt Al-Hadra und von Kultureinrichtungen in Mossul für Entsetzen gesorgt. Das gleiche Schicksal droht nun auch der WeltkulturerbeStätte in Syrien. Medienberichten zufolge haben die Islamisten die Ruinen der Stadt vermint und bereits zwei Grabstätten gesprengt.
1007 Regionen und Stätten
Zum Welterbekomitee gehören aktuell 21 Staaten, die von den UnescoMitgliedstaaten in das Gremium gewählt wurden. Vorsitzende ist zurzeit die deutsche Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer (CDU). Das Komitee wählt neue Stätten für die Welterbeliste aus und überwacht zugleich mit den jeweiligen Staaten die Erhaltung der Stätten. Wenn eine von ihnen gefährdet ist, schlägt das Gremium Gegenmaßnahmen vor und kann bei groben Verstößen den Status als Welterbe auch wieder entziehen.
Weltweit stehen 1007 Naturregionen und Kulturstätten auf der Welterbeliste der Unesco. Damit werden Landschaften, Baudenkmäler und andere Stätten ausgezeichnet, die von herausragender Bedeutung für die Menschheit sind. 191 Staaten haben das Unesco-Übereinkommen zum besonderen Schutz dieser Stätten unterzeichnet. Doch die IS-Milizen im Irak und in Syrien scheren sich nicht um Abkommen. Mehrfach zerschlugen IS-Anhänger Kulturschätze, die nicht zu ihrem radikalen Religionsverständnis passen, vor laufenden Kameras.
Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova schlug nach dem IS-Einmarsch in Palmyra Alarm: „Die Kämpfe gefährden eine der bedeutendsten Stätten im Mittleren Osten und deren Zivilbevölkerung“, warnte sie. Neben Palmyra sind noch zahlreiche andere Orte von Kämpfen, Plünderungen oder extremistischer Zerstörungswut bedroht. Am 29. Juni will das Komitee eine Erklärung zum Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten verabschieden.
Am selben Tag wird die Kampagne „Unite4Heritage“(Vereint euch für das Kulturerbe) vorgestellt. Die Kampagne soll Koalitionen zum Schutz einmaliger Orte und Kunstwerke vor allem in Nahost schaffen. Angesprochen sind unter anderem Regierungen, Streitkräfte, Zollbehörden, die internationale Polizeibe- hörde Interpol, Museen und Auktionshäuser. So soll auch verhindert werden, dass geraubte Kulturgüter auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden.
Doch nicht nur Krieg und Extremismus bedrohen die Welterbe-Stätten. Auch Industrie- und Verkehrsprojekte sowie Klimaveränderungen können Bauwerken und Landschaften massiv zusetzen. So wollen sich die Delegierten in Bonn auch mit dem Great Barrier Reef vor der australischen Küste befassen, das unter dem Klimawandel leidet.
Deutschland hat bislang 39 Welterbe-Stätten. Dazu zählen unter anderem der Kölner Dom, die Zeche Zollverein in Essen und grenzübergreifend das Wattenmeer. Hoffnungen auf die begehrte Erwähnung auf der Liste, die sich touristisch gut vermarkten lässt, machen sich in diesem Jahr das Kontorhausviertel und die Speicherstadt in Hamburg sowie der Naumburger Dom samt umgebender Landschaft. Ein internationales Projekt, das eine Reihe von WikingerStätten in Deutschland und skandinavischen Ländern zum Welterbe erklären lassen will, wird vermutlich aufgeschoben werden. Das Welterbekomitee entscheidet vom 3. bis 5. Juli über die Aufnahme neuer Stätten in die Liste.