Gescheiterter Held
2015 ist Jan-Hus-Gedenkjahr - Fernsehfilm über Reformator am 1. Juli auf Arte
KONSTANZ - 600 Jahre Konzil in Konstanz: Ein gefundenes Fressen fürs Stadtmarketing. Vier Jahre lang, solange das reale Konzil in Konstanz tagte, erinnert die Stadt am Bodensee an das „Weltereignis“in ihren Mauern. Den Auftakt machte vergangenes Jahr die Landessausstellung. Die Schau stellte die Kunst des Mittelalters in den Mittelpunkt. Das traurigste Ereignis des Konzils kam nur am Rande vor: die Verbrennung des böhmischen Reformators Jan Hus auf dem Scheiterhaufen. Die Begründung lautete: 2015 werde ausführlich an den grausigen Vorfall erinnert, der sich am 6. Juli zum 600. Mal jährt.
Gut fürs Marketing
Tatsächlich widmen sich heuer zahlreiche Veranstaltungen in Konstanz dem Thema: Bundespräsident Gauck nahm an einem Gedächtnisgottesdienst teil. Beim „Gedenkwochenende“von 3. bis 6. Juli werden Gäste aus Tschechien erwartet. Dort wie auch in Deutschland werden Hus-Skulpturen enthüllt, die die Tschechoslowakische Hussitische Kirche in Auftrag gegeben hat. Und eine „Hussitische Kulturroute“soll die Städte verbinden, die Jan Hus auf seiner letzten Reise von der Burg Krakovec bis nach Konstanz besucht hat.
Musik, Kunst, Theater: Da darf das Medium Film nicht fehlen. Der Kultursender Arte hat in Konstanz eine Filmbiografie des böhmischen Reformators vorgestellt. Der Fernsehfilm, eine deutsch-tschechische Koproduktion von Jiri Svoboda, ist ein satter Vierstünder. Der erste Teil spielt an der Prager Universität. Hus, dargestellt von dem in Tschechien bekannten Schauspieler Matei Hadek, ist empört über die Korruption in der Kirche, über Ablasshandel, Kirchenspaltung und die Haltung der deutschen Professoren-Kollegen an der Karlsuniversität. Zwar wirkt er auf seine Studenten zunächst noch mäßigend. Doch seine Predigten werden zunehmend aufrührerischer.
Lange Zeit hat er in Sophie von Bayern, der Frau von König Wenzel, eine Fürsprecherin. Im Film ist die Prinzessin natürlich von ätherischer Schönheit. Die Treffen mit Hus finden gern in der königlichen Menage- rie statt, von zarter Lautenmusik begleitet, räkelt sich der Leu im Käfig. Das einzig Schrille ist der Schrei des Pfauen. Mittelalterkitsch trifft auf Mittelalterklischee: Im zweiten Teil, der in Konstanz spielt, geht es dann zur Sache. Die Welt wird immer düsterer, die Darstellung immer drastischer, blutiger bis zum brutalen Finale. „Games of Thrones“am See.
Rückt uns das Ereignis von vor 600 Jahren durch einen Film näher? Eher nicht. Denn wie der Historiker Harald Derschka bei seinem klugwitzigen Einführungsvortrag in Konstanz sagte: Die Konzilsgeschichte ist nur bedingt visuell darstellbar. Seinerseits ketzerisch fragte er, was die Besucher von der großen Ausstellung im vergangenen Jahr in Erinnerung behalten hätten. Vermutlich würden die meisten antworten: „Es gab 600 Huren beim Konzil!“
Eine Filmbiografie folge wiederum eigenen Gesetzen. Es sind die der Dramaturgie, nicht die der Geschichtswissenschaft. Die Quellenlage über das Konzil sei äußerst disparat, und die wenigen Zeugnisse würden nicht unmittelbar zu uns sprechen. Wie also von Jan Hus erzählen? Der Historiker machte verschiedene Vorschläge: Vielleicht eine Tragödie vom blinden Eiferer oder eine Satire über die Phrasen der Fanatiker? Oder doch ein Epos vom scheiternden Helden? Der Fernsehfilm entschied sich für Letzteres.