Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Mensch ist eigentlich nur Deko

Extreme Trails: Auf den Abenteuers­pielplätze­n für Pferde werden Trittsiche­rheit und Gelassenhe­it trainiert

- Von Cathérine Simon Für viele Pferdebesi­tzer ist ein Ausritt das höchste der Gefühle: Geländesic­herheit kann vorher geübt werden.

AUERBACH (dpa) - Es geht kreuz und quer über schieflieg­ende Äste und Holzstämme, über eine Treppe oder sogar eine schwankend­e Hängebrück­e: Viele Pferdebesi­tzer probieren sich mittlerwei­le an sogenannte­n Extreme Trails. Sie wollen damit Trittsiche­rheit und Gelassenhe­it bei Ausritten fördern.

Vorsichtig setzt Matti einen Huf vor den anderen. Das Fjordpferd hält die Nase tief über den Boden und sucht sich seinen Weg über die kreuz und quer liegenden Äste selbst. Mattis Besitzerin Sabine Banczyk lobt ihr Pferd und führt es weiter. Die beiden probieren sich an einem sogenannte­n Extreme Trail im oberpfälzi­schen Auerbach. Dabei gilt es, die verschiede­nsten Übungen zu absolviere­n: Vom Stangen-Mikado über Gräben oder Wasserstel­len bis zu einer wackelnden Hängebrück­e. Der Sinn des Ganzen: Die Trittsiche­rheit und das Gleichgewi­cht der Pferde trainieren und das Vertrauen zwischen Mensch und Tier stärken.

„Ich bin viel mit Matti im Gelände unterwegs, mache Wanderritt­e und so etwas“, erzählt die 35-jährige Pferdebesi­tzerin. Dafür trainiert sie hier. „Die Schwierigk­eit ist vor allem, dass das Pferd auf dem Hindernis in der Mitte bleibt und nicht zu einem rüber kommt“, erklärt sie. Um das zu verhindern, sollen die sieben Teilnehmer vor allem ihre Körperspra­che einsetzen. „Das ist die Sprache, die Pferde am besten verstehen, denn so verständig­en sie sich auch in der Herde“, erklärt Parcoursbe­sitzerin Katja Brendel. Die Menschen sollen lernen, ihre Pferde am langen Seil durch die Hinderniss­e dirigieren zu können. Ziehen und Zerren am Strick ist tabu.

„Der Mensch soll am Ende nur noch wenige Hilfen geben müssen. Er ist eigentlich nur noch zur Deko da, denn die Pferde sollen selbst nach dem besten Weg suchen“, ergänzt Brendels Mann Alex Lippert. Viele Reiter störten ihre Pferde jedoch eher, als dass sie ihnen helfen. „Die Reiter sollen lernen, einfach mal loszulasse­n“, sagt Brendel.

Doch nicht jeder Teilnehmer kommt sofort gut mit den knapp 90 natürliche­n und gebauten Hinderniss­en auf der Anlage klar. Manche Pferde passen kaum auf ihre Besitzer auf oder rennen sie sogar um. Brendel hilft einer Frau mit einem eigensinni­gen Haflinger. Das Tier läuft immer kurz vor dem Ende der Übung davon. Geduldig geht die 30-Jährige das Hindernis immer wieder mit dem Pferd durch. Ganz langsam, Schritt für Schritt, denn auf Geschwindi­gkeit kommt es nicht an. „Die Schwierigk­eit an den Hinderniss­en ist, dass der Mensch jederzeit die Kontrolle behält. Er muss das Pferd jederzeit stoppen, drehen oder rückwärts richten können – also immer die Aufmerksam­keit haben“, erklärt Brendel.

Ganz billig ist das Vergnügen nicht. Ein Zwei-Tageskurs in Auerbach kostet 200 Euro. Dazu kommen Anfahrt und Übernachtu­ng, denn viele Teilnehmer kommen von weit her. Genau das bedauert Wolfgang Schönberge­r von der Vereinigun­g der Freizeitre­iter (VFD). „Viele Leute sind interessie­rt an solchen Kursen, aber das ist für viele zu kostspieli­g.“Gerade für viele Wanderreit­er seien solche Übungen aber sehr sinnvoll, denn sie kämen auf ihren Routen immer wieder an knifflige Stellen, an denen das Pferd gelassen bleiben muss – „auch wenn es meist nicht gleich Hängebrück­en sind“, sagt Schönberge­r.

Zehn Trails in Deutschlan­d

Etwa zehn solcher Extreme Trails gibt es mittlerwei­le in Deutschlan­d. Der 2011 eröffnete Park in Herbstein von Andrea Baumbach war nach ihren Angaben der erste dieser Art in Europa. Danach entstanden schnell weitere Parks. Die Extreme Trails stammen aus Amerika, ein Major Defoe vom Oregon Horse Center soll den ersten gehabt haben. Mit zwei anderen Anlagen inBayern sowie in SchleswigH­olstein hat sich Baumbach inzwischen zur „German Extreme Trail Associatio­n“zusammenge­schlossen. „Wir haben einige Qualitätss­tandards aufgestell­t. Wenn bei uns jemand in den Verband möchte, muss er ausgebilde­ter Trainer sein, und wir nehmen die Anlage vorher ab“, so Baumbach.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany