Der Ingenieur denkt, Wehrlein lenkt
Der Worndorfer gewinnt auf dem Norisring, weil er eine riskante Strategie gekonnt umsetzt
NÜRNBERG (SID/dpa/sz) - Für Pascal Wehrlein war Nürnberg letzte Station einer anstrengenden Woche. Einer Woche, in der sich das Gasgeben gelohnt hat für den 20-Jährigen aus Worndorf (Kreis Tuttlingen): Am Dienstag noch chauffierte er für seinen Arbeitgeber Mercedes dessen Formel-1-Boliden über den Asphalt von Spielberg. Testarbeit im Cockpit, nicht virtuell im Simulator – für den Ersatz- und Testfahrer der schwäbisch-britischen PS-Allianz sind solche Königsklasse-Auftritte nach wie vor etwas Besonderes. Selten zudem.
Gar nicht mehr so selten allerdings ist, dass Pascal Wehrlein sich prächtig in Szene setzt an Tagen wie dem Dienstag. 67 Runden dem österreichischen Juni-Regen abgetrotzt, Tagesbestzeit geholt – da waren die 132 Runden anderntags im Force India (mit Mercedes-Kundenmotor) wohlverdiente Zugabe. Und Extrakick offenbar für den Norisring. DTM-Job as usual, Pascal Wehrleins Saisonbilanz bislang im Tourenwagen mit dem Stern: Zweiter und Achter, Fünfter und 13. Jetzt kamen ein weiterer fünfter Rang (am Sonntag) und am Samstag ein Sieg dazu. Der zweite der Karriere, in DTM-Rennen Nr. 25.
Aufregende erste Rennphase
In Nürnberg. Natürlich. Dass der nicht-permanente Stadtkurs Mercedes-Terrain ist, verrät schon die Statistik: Seit 2003 saß jeder Norisring-Sieger in einem Mercedes. An diesem 27. Juni 2015 wieder: Wehrlein gewann vor seinen Markenkollegen Robert Wickens (Kanada), Gary Paffett (Großbritannien) und Christian Vietoris (Gönnersdorf). „Am Anfang war die Strecke richtig nass, auf so einem Stadtkurs ist es dann schwierig, auf der Strecke zu bleiben“, sagte der Glückliche erleichtert im Ziel. Und: „Mein Rennen war ziemlich aufregend.“
Stimmt. Allein schon wetterhalber: Das Rennen begann, nach einem Schauer kurz vor dem Start, auf nasser Fahrbahn. Pascal Wehrlein startete – als Fünfter des Qualifying – im Gegensatz zu Wickens, Paffett und Vietoris auf Slicks. Seine Markenkollegen wählten Regenreifen. Damit wollten sie einen Vorsprung herausfahren und diesen später für einen Wechsel auf Trockenreifen nutzen. Der StrategieGegenentwurf: Slicks nehmen, Boxenstopp sparen. Pascal Wehrlein tat’s ... und gewann. „Dafür muss ich mich aber ausschließlich beim Team bedanken. Es war die Entscheidung meines Ingenieurs, auf Slicks zu starten.“
So war die Fahrt zunächst überaus fordernd, ehe es mehr und mehr abtrocknete. Deshalb: „Mein Rennen hat vor allem in den ersten 20 Runden stattgefunden.“Und kurz vor Ultimo, weil die Markenkollegen Wickens und Paffett da „etwas schneller“gewesen seien. „Deshalb war es wichtig, dass ich keinen Fehler machte, sonst hätten sie mich bekommen.“
Taten sie anderntags. Saisonlauf Nr. 6 gewann Robert Wickens vor Christian Vietoris. Wieder zweimal Mercedes. Pascal Wehrlein war diesmal dritte Kraft unter dem guten Stern: Als Sechster gestartet, erreichte er das Ziel auf Position fünf. Sein diesmal kritisches Fazit: „Nach dem Sieg von gestern bin ich mit dem fünften Platz heute nicht ganz zufrieden.“
Mit der Woche insgesamt aber ganz gewiss. Und mit dem Block aufs DTM-Tableau nach einem Drittel der Saison: Platz drei macht sich prächtig.