Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Von Bord gegangen

Gespräche mit Griechenla­nd gescheiter­t Athen droht Staatsbank­rott EZB setzt Tsipras unter Druck Heute Krisentref­fen bei Merkel

- Von Andreas Herholz, Daniela Weingärtne­r und unseren Agenturen

BERLIN - Herrschte am Samstag in Brüssel noch Entsetzen und Verwunderu­ng, so hat die Zuspitzung im Schuldenst­reit mit Griechenla­nd die Berliner Politik am Sonntag in Alarmberei­tschaft versetzt. Angesichts des denkbaren Staatsbank­rotts in Athen lud Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) die Partei- und Fraktionsv­orsitzende­n der im Bundestag vertretene­n Parteien für heute zu einem Krisentref­fen ins Kanzleramt. Am Abend telefonier­te Merkel mit US-Präsident Barack Obama. Beide hielten es übereinsti­mmend für „entscheide­nd wichtig“, Griechenla­nd auf einen Reformweg zurückzufü­hren und in der Eurozone zu halten, erklärte das Weiße Haus.

Einigkeit herrschte bei Union und SPD, dass die griechisch­e Regierung für das vorzeitige Ende der Verhandlun­gen in Brüssel beim Treffen der Euro-Finanzmini­ster am Samstag verantwort­lich sei. Regierungs­chef Alexis Tsipras hatte in der Nacht zum Samstag überrasche­nd ein Referendum über die Vorschläge der Geldgeber für kommenden Sonntag angekündig­t. Die Finanzmini­ster der Eurozone warfen Tsipras daraufhin vor, einseitig die Verhandlun­gen abgebroche­n zu haben. Sie entschiede­n, das am Dienstag auslaufend­e Hilfsprogr­amm nicht zu verlängern.

Tsipras und sein Finanzmini­ster Giannis Varoufakis seien „Hasardeure“und mit ihrer Strategie einer Spaltung Europas gescheiter­t, sagte Unionsfrak­tionschef Volker Kauder. „Sie führen das Land ins Chaos“, warnte er. Tsipras schlage die ausgestrec­kte Hand für „eine Hilfe zur Selbstbeha­uptung in Würde“aus, erklärte SPD-Chef und Vizekanzle­r Sigmar Gabriel der „Süddeutsch­en Zeitung“. Er sei „entsetzt“über das Vorgehen der griechisch­en Regierung. Die Angebote der Euroländer „gingen weiter als alles, was es bisher gab“. Gabriel stellte klar, dass es auch nach dem Referendum kein besseres Angebot geben werde.

Somit steuert das Land womöglich auf einen Staatsbank­rott zu. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat die Nothilfen an Griechenla­nds Finanzinst­itute zwar vorerst nicht gestoppt, was möglicherw­eise einige Banken in die Pleite getrieben und damit auch die dortige Wirtschaft lahmgelegt hätte. Am Sonntag fror die Notenbank die Notkredite, die sogenannte­n ELA-Kredite, jedoch auf dem aktuellen Stand von rund 90 Milliarden Euro ein. Das drastischs­te Szenario, dass die Bank nach Scheitern der Gespräche zwischen Athen und seinen Gläubigern die Hilfen streichen würde, trat nicht ein. Dennoch setzte die EZB Athen mit der Entscheidu­ng, den Geldhahn nicht weiter zu öffnen, unter Zugzwang.

Griechisch­e Banken bleiben bis auf Weiteres geschlosse­n

Die erste Reaktion folgte am Sonntagabe­nd. Laut Ministerpr­äsident Tsipras bleiben die Banken in Griechenla­nd vorerst geschlosse­n, gerüchtewe­ise sogar bis nach dem Re- ferendum. Gleichzeit­ig beteuerte der Regierungs­chef, die Ersparniss­e, Löhne und Renten der Bürger seien „garantiert“. Zugestimmt hat Tsipras auch sogenannte­n Kapitalver­kehrskontr­ollen. Damit werden zum Beispiel die Beträge für Abhebungen an Geldautoma­ten auf kleine Summen gekappt. Finanzmini­ster Varoufakis hatte sich zunächst noch vehement dagegen ausgesproc­hen. „Kapitalkon­trollen in einer Währungsun­ion sind ein Widerspruc­h in sich. Die griechisch­e Regierung lehnt dieses Konzept ab“, hatte er beim Online-Kurznachri­chtendiens­t Twitter geschriebe­n. Zuletzt hatten allerdings immer mehr seiner verunsiche­rten Landsleute Bargeld abgehoben – insgesamt in Milliarden­höhe.

In dieser Woche läuft zudem das Hilfsprogr­amm von Euro-Partnern, Internatio­nalem Währungsfo­nds (IWF) und EZB aus. Damit fehlen dem hoch verschulde­ten Staat Milliarden, die zur Tilgung von IWFSchulde­n benötigt werden. Allein am Dienstag sind 1,6 Milliarden Euro fällig. Denkbar ist mittelfris­tig somit zudem das Ausscheide­n Griechenla­nds aus der Eurozone. Diese Gefahr leugnete Varoufakis ebenfalls. „Die Europäisch­en Verträge sehen einen Austritt aus der Eurozone gar nicht vor. Wer das von uns verlangt, muss zunächst einmal die Verträge ändern“, hatte er am Samstag vor seiner Abreise aus Brüssel erklärt.

Derweil warnte Norbert Röttgen, der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s, vor den außenpolit­ischen Folgen. „Ein außen- und sicherheit­spolitisch vagabundie­rendes Griechenla­nd wäre in der Balkanregi­on ein Unsicherhe­itsfaktor, den wir vermeiden müssen“, sagte der CDU-Politiker der „Schwäbisch­en Zeitung“. Röttgen weiter: „Das geht nur, wenn Athen bereit ist, sich retten zu lassen. Gegen den eigenen Willen kann Griechenla­nd nicht gerettet werden.“LEITARTIKE­L

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FOTO: ANTON SULSKY

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