Linde und Praxair fusionieren
Praxair-Chef Steve Angel soll Vorstandschef werden
MÜNCHEN (dpa) - Der Dax-Konzern Linde und sein US-Konkurrent Praxair haben sich auf die Eckpunkte ihrer geplanten Fusion zum weltweit größten Industriegase-Konzern geeinigt. Demnach soll der bisherige Praxair-Chef Steve Angel Vorstandsvorsitzender werden und die Geschäfte aus den USA leiten. Aufsichtsratschef werde der bisherige Linde-Chefkontrolleur Wolfgang Reitzle, teilte das Münchner Unternehmen am Dienstag mit.
Die Zentralfunktionen würden zwischen den USA und München aufgeteilt. Die neue Konzernholding werde den Namen Linde behalten und an den Börsen in Frankfurt und New York gelistet. Für die 8000 deutschen Linde-Beschäftigten hatte das Unternehmen mit Betriebsrat und Gewerkschaften eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2021 für den Fall einer Fusion vereinbart. Betriebsbedingte Kündigungen wären ausgeschlossen.
MÜNCHEN (dpa) - Wolfgang Reitzle hat es wieder mal geschafft. Ein halbes Jahr nach seiner Rückkehr zu Linde ist er als Aufsichtsratschef dabei, sein Meisterstück abzuliefern: Nächstes Jahr soll der IndustriegaseKonzern mit dem US-Konkurrenten Praxair zusammengeführt und weltweit die Nummer eins der Branche werden. Darauf haben sich die beiden Unternehmen am Dienstag geeinigt. Und Reitzle wäre der oberste Kontrolleur.
Im Augenblick sind der Münchner und der US-Konzern auf Augenhöhe bei Gewinn und Börsenwert. Zusammen kämen sie auf 28 Milliarden Euro Umsatz und einen Börsenwert von 61 Milliarden Euro. Die Amerikaner sind Marktführer in Amerika, Linde ist stark in Europa und Asien sowie zudem im Anlagenbau und bei Medizingasen breiter aufgestellt. Sie könnten sich gut ergänzen und zusammen ihre globale Präsenz stärken, sagt Praxair-Chef Steve Angel. Als Vorstandschef würde er den neuen Konzern von der Praxair-Zentrale in den USA aus führen.
Kein guter Moment für Linde
Einige Analysten rechnen wie die beiden Unternehmen selbst mit Synergien in der Größenordnung von einer Milliarde Euro. Aber der DaxKonzern ist im Moment in einer Schwächephase – eigentlich kein guter Moment für eine Fusion unter Gleichen. Linde verdient gut mit Gasen, die die Industrie zum Schweißen und Bearbeiten von Metall braucht, mit Gasen zum Schockfrosten von Lebensmitteln und mit Medizingasen. Das Unternehmen baut aber auch Anlagen für die Petrochemie. Mit dem Verfall des Ölpreises haben die Kunden weniger bestellt. Im laufenden Jahr sind Umsatz und Gewinn dieser Sparte zweistellig gesunken.
Zwei Gewinnwarnungen und ein offener Machtkampf zwischen dem bisherigen Vorstandschef Wolfgang Büchele und seinem Finanzchef trugen weiter dazu bei, dass die Investoren Linde plötzlich argwöhnisch betrachteten. Bis 2014 hatte der heutige Chefkontrolleur Reitzle Linde glanzvoll geleitet. In den elf Jahren als Vorstandschef verkaufte er die Gabelstapler-Sparte und machte die Firma mit der Übernahme des britischen Konkurrenten BOC zum Weltmarktführer für Industriegase. Der Umsatz stieg von neun auf 15 Milliarden Euro, den Gewinn verdreifachte er auf 1,4 Milliarden Euro.
Inzwischen ist Reitzles Gefolgsmann Aldo Belloni Vorstandsvorsitzender, sind Büchele und sein Finanzchef abgelöst, die Fusion mit Praxair ist auf dem Weg. Aber es gibt noch ein paar Hürden.
Nicht alle Investoren erwarten so große Synergien. Die Kartellbehörden könnten Linde und Praxair zwingen, Teile ihres Geschäfts abzugeben. Das könnte Konkurrenten stärken, sagen Analysten der EquinetBank. In Industriekreisen ist auch von einer De-facto-Übernahme durch Praxair die Rede: Eigentlich müsste den Linde-Aktionären deshalb eine Prämie, ein Aufschlag auf den Aktienpreis zustehen. Aber Pustekuchen.
Die geplante Fusion sei von der Zustimmung der Aktionäre und der Kartellbehörden abhängig, teilten Linde und Praxair mit. Aber auch die Arbeitnehmer sind noch nicht ganz überzeugt. Linde hat den 8000 deutschen Beschäftigten zwar eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2021 gegeben und will den angekündigten Stellenabbau reduzieren.
Viele Beschäftigte sorgen sich aber, ob bei einer Fusion die deutsche Mitbestimmung verloren geht und eine andere Firmenkultur Einzug hält. Die Zustimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat zu dem Geschäft sei noch nicht garantiert, sagt der Konzernbetriebsratschef und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dieter Katte.
Offen ist auch, was mit dem zyklisch schwankenden und weniger renditestarken Anlagenbau geschieht. Die Hälfte der 7000 Beschäftigten in dieser Linde-Sparte arbeitet in Pullach, Traunstein und Dresden. Wenn bald wieder mehr Aufträge aus Russland und dem Iran kommen, wird es möglicherweise schwierig für einen US-Konzern.