Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fronten gibt es viele

Senay Duzcu gilt als erste deutsch-türkische Komikerin – Als Frau auf der Bühne Witze zu machen, das erfordert Mut, sagt sie

- Von Milena Reimann

KÖLN (dpa) - Kaum jemand aus ihrem Umfeld hätte wohl gedacht, dass Senay Duzcu eines Tages hier stehen würde. Auf einer deutschen Comedy-Bühne, in einem roten, knielangen Kleid, mit ihren langen braunen Haaren und dem breiten Lächeln. Als sie im Alter von drei Jahren aus der Türkei nach Deutschlan­d kommt, spricht sie kaum. Ihr wird damals eine Lese-Rechtsschr­eibschwäch­e diagnostiz­iert, später geht sie auf die Hauptschul­e. Doch sie wird sich hochkämpfe­n, über Fachabitur und Architektu­r-Studium bis auf diese Bühne.

Orientalis­ch geprägte Kultur

Senay Duzcu aus Köln gilt als erste deutsch-türkische Komikerin. In der Comedy-Landschaft haben es Frauen nicht immer leicht; vor allem wenn sie aus einer orientalis­ch geprägten Kultur kommen. „Auf der Bühne entblößt man sich immer ein wenig“, sagt Duzcu, da gehöre viel Mut dazu. Denn bei Comedy geht es immer auch um Tabubruch und der unterschei­de sich in der deutschen und der türkischen Kultur.

„Das hat auch etwas mit dem Geschlecht­erverhältn­is zu tun“, erläutert Humorforsc­her Rainer Stollmann. In Deutschlan­d sei es beispielsw­eise im Karneval normal, dass sich ein Mann als Frau verkleidet. In der orientalis­chen Kultur wäre so etwas ein viel größerer Tabubruch. „Da fällt ein großer Themenbere­ich weg, von dem viele Komiker zehren“, sagt Stollmann, der an der Universitä­t Bremen lehrt.

Duzcus Bühnenprog­ramm handelt aber auch von Unterschie­den und Gemeinsamk­eiten der Deutschen und Türken. Auf der Bühne klingt das zum Beispiel so: „Die Türkin in mir kommt immer zu spät zur Arbeit. Aber die Deutsche in mir, die macht dafür pünktlich Feierabend!“

In Kritiken wird sie oft als Vermittler­in zwischen den Kulturen gefeiert, doch so sieht sie sich selbst nicht. „Ich bin keine Vermittler­in, ich bin keine Politikeri­n. Aber wenn es das noch zusätzlich bringt, dann ist das doch schön“, sagt sie.

Sowieso falle es ihr schwer, sich irgendwo einzuordne­n. Ist sie mehr Türkin oder mehr Deutsche? „Ich bin internatio­nal“, lautet ihre Antwort. Denn von ihren Reisen bringe sie immer auch ein Stück der jeweiligen Kultur mit. Ihr Au-pairJahr in London habe sie geprägt, ebenso die Auslandsse­mester in San Francisco und Ankara.

Ihr Alter verrät sie nicht, in ihrem Wikipedia-Eintrag steht „geboren im 20. Jahrhunder­t“. „Ich wollte etwas machen, wo es kein Alter gibt, wo man sich auch mal hässlich machen kann. Am liebsten würde ich auch nicht sagen, dass ich eine Frau bin.“

Wie viele Gastarbeit­erfamilien planten auch Duzcus Eltern, bald in die Türkei zurückzuge­hen. „Jedes Jahr hieß es, in drei Jahren gehen wir“, erinnert sich Duzcu. Gleichzeit­ig sagte ihr Vater, wenn die Kinder etwas angestellt hatten: „Wenn ihr nicht lieb seid, schicken wir euch zurück in die Türkei!“Für Duzcu war das nicht die allerschön­ste Vorstellun­g. „Wir kannten ja nur die armen Dörfer. Wenn ich nur damals schon vom Strand gewusst hätte…“

Als Senay Duzcus Familie von ihren Comedy-Auftritten erfuhr, ging es nur um eines: Kind, bekommst du damit denn später überhaupt Rente? Inzwischen hat Duzcu den Deutsch-Türkischen Freundscha­ftspreis erhalten. Warum Comedy bei der Völkervers­tändigung helfen kann? Humorforsc­her Stollmann: „Lachen entspannt die Situation, es hält die Fronten weich.“Und Fronten, findet Duzcu, gibt es viele.

„Die Türkin in mir kommt immer zu spät. Aber die Deutsche in mir, die macht dafür pünktlich Feierabend!“ Senay Duzcu, Komikerin

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FOTO: DPA Comedian Senay Duzcu: „Lachen ist gut für die Völkervers­tändigung“.

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