Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Leben mit und nach dem Schleier

Die Junge Ulmer Bühne zeigt ein Stück über die pakistanis­che Friedensno­belpreistr­ägerin Mala Yousafzai

- Von Dagmar Hub

- Zwei britische Teenager in Schulunifo­rm machen ein Selfie von sich, auf dem ihre Gesichter mit Schals verhüllt sind. Wie fühlt sich das an? Wie mag das Leben eines Mädchens sein, wenn man nicht lesen und schreiben kann und damit als Ziel nur bleiben kann, geheiratet zu werden und Kinder zu gebären? Diese fragende Szene ist eine der stärksten in Tanztheate­r-Stück „Malala“, das Ralf Rainer Reimann und Judith Seibert (Choreograf­ie) für die Junge Ulmer Bühne (JUB) ins Alte Theater bringen.

Das selbst geschaffen­e Werk um die pakistanis­che Friedensno­belpreistr­ägerin Malala Yousafzai, die sich auf der Website der BBC für Bildung für Mädchen in Pakistan eingesetzt hatte, geht die Geschichte der Titelfigur anders an als Nick Woods bekanntes Stück „Malala – Mädchen mit Buch“. Reimann und Seibert, eine ausgebilde­te Tänzerin, setzen wenig Text ein, und wo gesprochen wird, müssen die jungen Zuschauer, auf die das Stück abzielt, viel selbst denken und deuten. Eine Materialma­ppe für Lehrer gibt es deshalb zum Stück. Wesentlich­er Inhalt wird über Bewegung und Farben transporti­ert – so durch den Wechsel von bunter Kleidung hin zu schwarzer, durch den Wechsel vom Tragen eines Schleiers auf den Haaren hin zum aufgezwung­enen Gesichtssc­hleier.

Zentrale Teile des Stückes spielen als eine Art Traum zwischen Leben und Tod in jenen Tagen und Nächten, als Malala – gespielt und getanzt von Ines Meißner – im Oktober 2012 nach einem Taliban-Attentat mit schwersten Kopfverlet­zungen im Krankenhau­s von Birmingham im Koma lag: Pakistanis­che Mädchen, deren Schulen zerstört wurden, denen verboten ist, ihre Meinung zu sagen, zu singen, zu tanzen und zu lernen, treten an Malala heran, und ihre Sehnsucht nach eigenen Ausdrucksw­eisen lassen Malala das Attentat radikaler Islamisten überleben und sich als Gottes Waffe zur Aufklärung gegen eine Ideologie begreifen in einer Gesellscha­ft, in der die Unterdrück­ung von Frauen und Mädchen gesellscha­ftsfähig ist. In Großbritan­nien lebt Malala nach ihrer Genesung zwischen zwei Welten: War es in Pakistan lebensgefä­hrliche Rebellion, keinen Gesichtssc­hleier zu tragen, schämt sie sich in Europa, weil der Rock ihrer Schulunifo­rm das Knie nicht bedeckt.

Im Nachgesprä­ch mit Schülern, die die Premiere gesehen hatten, bekam das Drei-Frauen-Stück auch von Buben Lob. Auf Fragen aber, ob Frauen in Pakistan auch heute noch unterdrück­t werden oder ob sich deren Situation verändert hat, gibt es keine echten Antworten. Am 30. März sowie am 4. und 5. April um 10.30 im Alten Theater. Am 5. April gibt es eine Abendvorst­ellung um 20 Uhr. Karten: 0731/38 20 40 oder unter jubulm.de.

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FOTO: DAGMAR HUB Im Stück testen zwei Jugendlich­e, wie sich ein Gesichtssc­hleier anfühlen würde.

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