Selbst die FDP ist von Ansturm auf Lindner überrascht
Kritik an Kanzlerin - „Weiter so“in Berlin kommt für Liberale nicht in Frage
ULM (anbr/mö) - Weniger Bürokratie, eine härtere Linie gegenüber der Türkei und ein paar eigene Erfahrungen mit den vollen Autobahnen im Südwesten: FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner hat am Donnerstagabend in Ulm politische und persönliche Duftmarken gesetzt.
Lindner galt schon früh als Wunderkind der FDP: Mit 21 Jahren wurde er jüngster Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag, mit 25 Generalsekretär der Landespartei. Lindner führt auch den größten Landesverband in NRW und steht an der Spitze der Fraktion im Düsseldorfer Landtag.
Für eine Partei, die nicht im Bundestag vertreten ist, war beim Auftritt ihres Spitzenkandidaten allerhand los. So viel, dass sogar die FDPOrganisation auf diesen Ansturm nicht eingestellt war. 300 Menschen wollten den Ober-Liberalen Christian Lindner sehen, so dass sein ursprünglich im Restaurant Lago vorgesehener Auftritt kurzerhand in das Foyer der Messehallen verlegt werden musste. Mit einer fast viertelstündigen Verspätung traf Lindner ein. Offenbar im Verkehrsstau steckengeblieben fand Lindner auch eine positive Seite: „Jetzt bin ich auch einmal in den Genuss des Ulmer Straßennetzes gekommen.“
Das bereit gestellte Rednerpult auf der Bühne ließ Lindner hinter sich und trat stattdessen in die Mitte des Zuhörerkreises, der sich um ihn gebildet hatte.
Ohne Manuskript redete Lindner fast eine Stunde über die Fehler, die in der Flüchtlingspolitik gemacht wurden, die Präsidenten Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan oder den Krawallen, die jüngst in Hamburg zum G20-Gipfel für Schlagzeilen sorgten.
Mit Blick auf die Automobilindustrie, wie sie auch in Baden-Württemberg ansässig ist, warnte Lindner vor zu viel Bürokratie: „Vorschriften sind Gift für kreative Köpfe, die den Erfolg der Autobauer ausmachen.“Letztlich gab der Politiker zu, auch nicht zu wissen, wie sich die Welt in den nächsten 20 Jahren verändern würde, wie er sagte. Aber gerade deshalb sei es nicht ausreichend, auf ein „Weiter so“zu setzen, wie es Kanzlerin Angela Merkel derzeit machen würde.
Lindner ist nicht nur politisch unterwegs. Erst vor einigen Tagen hatte er Aufsehen erregt, als er jungen Leuten von einer politischen Karriere abriet. „Die kann man nicht am Reißbrett planen“, sagte er. „Das ist auch kein Beruf, sondern ein Abenteuer.“Das könne morgen bereits zu Ende sein. „Mein Rat an junge Menschen: Lernt etwas, was ihr mögt und was berufliche Unabhängigkeit sichert und seid daneben politisch engagiert im Ehrenamt“, empfahl der 38-Jährige. Daraus könne sich vielleicht eine Phase des Lebens ergeben, in der man die große Ehre habe, das deutsche Volk zu vertreten. Einen Fernseh-Beitrag zum in Ulm gibt es unter www.regio-tv.de.