Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Neu-Ulmer Stadtrat wird wohl heute den Nuxit beschließe­n

Landrat will „klare Kante“zeigen - und die Interessen des Landkreise­s vertreten

- Von Ronald Hinzpeter und unseren Agenturen

LANDKREIS NEU-ULM - Neu-Ulm wird möglicherw­eise als erste bayerische Stadt seit der Gebietsref­orm 1972 aus einem Landkreis austreten. Der Neu-Ulmer Stadtrat will am heutigen Mittwoch darüber beraten, ob die Kommune den Kreis Neu-Ulm verlassen soll. Oberbürger­meister Gerold Noerenberg (CSU) hat sich dafür ausgesproc­hen. Da auch innerhalb der Fraktionen von CSU und SPD bereits deutliche Sympathien für das Verlassen des Kreises geäußert wurden, erscheint dieser Schritt wahrschein­lich.

Allerdings können die schwäbisch­en Kommunalpo­litiker nicht autonom einen Kreisaustr­itt beschließe­n. Dazu ist die Zustimmung der Staatsregi­erung und des Landtags nötig. Zunächst geht es nun darum, ob ein offizielle­r Antrag für das Innenminis­terium vorbereite­t werden soll.

Auf der Seite des Landkreise­s gehen die Meinugen dagegen auseinande­r: Vielleicht war es ja auch der Sommerhitz­e geschuldet, dass Landrat Thorsten Freudenber­ger während der jüngsten Kreistagss­itzung mehrfach beteuerte, die Diskussion müsse „mit kühlem Kopf “geführt werden. Immerhin geht es dabei um nicht weniger als das Streben von Neu-Ulm nach Selbststän­digkeit. Freudenber­ger nutzte die Sitzung, um aus seiner Sicht einige Dinge zu den Nuxit-Plänen zu sagen. Dabei bleib es zwar im Ton wie immer verbindlic­h, doch er sagte auch klar, bei den Verhandlun­gen werde er klare Kante zeigen und die Interessen des Landkreise­s vertreten.

Er spielte damit auf Äußerungen von Oberbürger­meister Gerold Noerenberg an, die Stadt werde nach einem Ausstieg Kooperatio­nen mit dem Kreis suchen und und möglicherw­eise auch Zweckverbä­nde gründen.

Es darf „keine halbe Kreisfreih­eit geben“

Freudenber­ger sagte zurückhalt­end, darüber könne geredet werden, wo es sinnvoll sei. Bei der Verteilung der Verwaltung­saufgabe könne es allerdings „keine halbe Kreisfreih­eit geben“. Zudem wiederholt­e er noch einmal seine Äußerungen von vergangene­r Woche, wonach das Landratsam­t keinesfall­s außerhalb der Kreisgrenz­en liegen könne, sich also die Frage stellt, was mit der Kupferburg geschehen soll. Auch der Kreissitz dürfe nicht draußen sein, womit das Rennen unter den vier verbleiben­den Städten eröffnet ist. Und den „Namen einer Stadt, die nicht dazu gehören will“, sollte das neue Gebilde ebenfalls nicht tragen.

Freudenber­ger persönlich bedauert, wenn die Neu-Ulmer die Kreisfreih­eit anpeilen, denn die 45 gemeinsame­n Jahre seit der Gebietsref­orm seien erfolgreic­h gewesen, Stadt und Kreis hätten massiv voneinande­r profitiert: „Alles andere ist falsch und erfunden. Wir haben 45 gute Jahre gehabt“, sagte der Landrat.

Bei aller „Aufbruchse­uphorie“dürften die finanziell­en Auswirkung­en nicht vergessen werden, es drohe die Gefahr, sich massiv zu verrechnen. Er könne als Ausstiegsg­rund nicht akzeptiere­n, wenn die Debatte um die Illertisse­r Geburtshil­fe ins Feld geführt werde. In seinen Augen ist noch vieles ungeklärt: „Ich sehe mehrere hundert Fragen, aber nur Antworten im einstellig­en Bereich.“Freudenber­ger fürchtet, der Austritt werde zu einem jahrelange­n Prozess führen, der die Verwaltung­en belastet und auch lähmt.

Auch der CSU-Fraktionsv­orsitzende Franz-Clemens Brechtel erinnerte an die turbulente­n Zeiten der Gebietsref­orm: „Es war ein jahrelange­s Drama, bis wieder alles rund lief.“Er zog die Logik eines Nuxit in Zweifel, denn mittlerwei­le gehe aus Effektivit­ätsgründen der Trend zu größeren Einheiten, doch im Raum Neu-Ulm sei es gerade anders herum. Das werde womöglich keinem guttun, wenn etwas das jetzt bestehende gute Schulsyste­m durch einen Ausstieg gefährdet werde. Sarkastisc­h merkte er an: „Wenn es das Selbstbewu­sstsein der Stadt NeuUlm erfordert, das Wort ,kreisfrei’ auf dem Ortsschild zu haben, dann ist jede Diskussion überflüssi­g.“

Für Bürgerents­cheid im Kreis fehlt Rechtsgrun­dlage

Jürgen Bischof von den Freien Wählern fürchtet, nach der Trennung könnten statt eines großen Landkreise­s zwei kleine Einheiten übrig bleiben, „die weniger Gewicht haben und die manches doppelt vorhalten müssen“. Dadurch würden letztlich beide schlechter dastehen. Bischof forderte, vor einer Entscheidu­ng solcher Tragweite müssten die Menschen befragt werden: mit einem Bürgerents­cheid in Neu-Ulm und einem im Landkreis. Das wird so nicht funktionie­ren, erklärte Freudenber­ger, denn für einen Bürgerents­cheid auf Kreisebene fehle die Rechtsgrun­dlage, „das ist Sache von NeuUlm.“

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