Von Isny über London nach Berlin
Manfred Rudhart aus Isny im Allgäu will die Bahn-Tochter DB Arriva profitabler machen
BERLIN - Vom obersten Stockwerk des Bahntowers am Potsdamer Platz in Berlin aus haben Besucher einen spektakulären Blick über die Hauptstadt. Manfred Rudhart konzentriert sich trotzdem auf ein Fachgespräch mit einigen Journalisten. Denn seine Zeit will gut genutzt sein. Gerade aus London gekommen, geht es nach dem Zwischenstopp in Berlin weiter nach Amsterdam, danach wieder nach London und ein paar Tage später erneut an die Spree. Als Chef des internationalen Verkehrsunternehmens Arriva ist der Allgäuer viel unterwegs.
Arriva kennt in Deutschland kaum jemand. Dabei zählt das Unternehmen zu den größten Verkehrskonzernen Europas. In der Londoner Zentrale hat die Deutsche Bahn (DB) als alleiniger Eigentümer ihre Auslandsaktivitäten im Personenverkehr gebündelt. Deshalb ist Arriva zwar in vielen europäischen Ländern präsent und bekannt, nicht jedoch in Deutschland. Hierzulande läuft das Geschäft unter dem roten Signet der DB.
In 14 Ländern betreibt Arriva Bahn-, Bus- oder Tramverbindungen, auch Wassertaxis und Krankentransporter. Gerade erst konnte sich Rudhart über eine gewonnene Ausschreibung in Schweden freuen, die mehr als eine halbe Milliarde Euro Umsatz einbringen wird. Zusammengenommen befördert die BahnTochter 2,2 Milliarden Fahrgäste im Jahr, die über fünf Milliarden Euro Umsatz einbringen. Mehr als 54 000 Beschäftigte stehen auf der Gehaltsliste. Für die Deutsche Bahn rentiert sich der Auslandseinsatz. 280 Millionen Euro Gewinn konnte Arriva im vergangenen Jahr an die Muttergesellschaft überweisen.
Verbunden mit Isny
Rudhart, Jahrgang 1965, war schon in jungen Jahren zielstrebig. Er studierte Elektrotechnik und schrieb in diesem Fach auch seine Doktorarbeit. Doch das Geschäftsleben interessierte ihn mehr und er heuerte bei einer internationalen Unternehmensberatung an. Die notwendigen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse erarbeitete sich Rudhart nebenbei. „Die Work-Life-Balance ist nicht mit Beratung vereinbar“, sagt der zweifache Vater rückblickend. Das war auch der Grund für einen neuerlichen Wechsel. Der Finanzchef der Deutschen Bahn bot ihm 2008 den Posten des Finanzvorstands der Nahverkehrssparte an und Rudhart griff zu. Der Karriereweg führte von da an steil nach oben und über den Vorstandsvorsitz der DB Regio schließlich Anfang 2016 auf den Chefposten von Arriva.
Seither pendelt Rudhart zwischen dem Wohnort von Frau und Kindern in Frankfurt und London. Die Teilung habe er gemeinsam mit seiner Frau entschieden, um die Kinder nicht aus der gewohnten Umgebung zu reißen. „Ich versuche, am Wochenende nicht zu arbeiten und auch keine Mail zu lesen“, sagt er. Dann steht die Familie im Vordergrund. Trotz des weltläufigen Alltags ist Rudhart seinem Geburtsort Isny verbunden geblieben und besucht dort regelmäßig sein Elternhaus.
Die Klagen in ländlichen Regionen Deutschlands über eine schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr kann Rudhart nur zum Teil verstehen. „International steht Deutschland bei der Integration von Bahn und Bussen vergleichsweise gut da“, sagt er. Aber in fünf bis zehn Jahren würden Verkehrsleistungen ganz anders ausschauen als heute: „Es könnte zum Beispiel mehr Sammeltaxis oder Fahrten auf Abruf geben.“Beispielsweise in den Niederlanden erprobt Arriva heute neue Wege, die ländlichen Räume zu erschließen.
Der berufliche Ehrgeiz entwickelte sich schon früh, beeinflusst durch den Vater, der Zimmermann war und am Wochenende zusammen mit ihm auf die Baustelle ging, um die Stabilität der selbst gelegten Verstrebungen noch einmal zu überprüfen. „Ich möchte stolz sein auf das, was am Ende entsteht“, schildert er die Quelle seines Antriebs. Für Arriva heißt das: Das Unternehmen soll wachsen und profitabler werden.
Unsicherheitsfaktor Brexit
An beruflichen Herausforderungen mangelt es nicht. Europaweit liefern sich die Verkehrsunternehmen einen harten Wettbewerb. Und die BrexitEntscheidung wird womöglich auch für Arriva negative Folgen zeitigen. „Am meisten Sorgen macht mir der zukünftige Zustand der britischen Wirtschaft“, erläutert Rudhart. Fallen zum Beispiel viele Jobs weg, sinkt auch der Bedarf an Zugfahrten. Noch hätten die Bürger genügend Geld für eine Einkaufstour in der Stadt.
Zweites Sorgenkind ist der künftige Status von EU-Bürgern auf der Insel. Das sei für den Austausch von Mitarbeitern aus den Arriva-Ländern wichtig, betont der Vorstand. Bei den Austrittsverhandlungen in Brüssel steht dieser Punkt gerade auf der Tagesordnung. Eine Lösung ist dabei noch nicht in Sicht.