Ziemlich kaputt, diese Familie
Innsbrucker Festwochen Alter Musik mit Monteverdis Oper „Die Rückkehr des Odysseus“eröffnet
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INNSBRUCK - Mit einer begeistert aufgenommenen Präsentation von Claudio Monteverdis Oper „Il ritorno d’Ulisse in patria“sind am Wochenende die 41. Innsbrucker Festwochen der Alten Musik eröffnet worden. Alessandro De Marchi, künstlerischer Leiter des Festivals, dirigiert die in Kooperation mit der Norske Opera Oslo entstandene Produktion im Tiroler Landestheater. Giacomo Bodoaros Libretto zu Monteverdis später Homer-Vertonung basiert auf Teilen der rund 3000 Jahre alten griechischen Dichtung „Odyssee“. Von der Partitur sind meist nur Gesangslinien und der Bassverlauf erhalten.
Die 1641 in Venedig uraufgeführte Oper stand vor 24 Jahren schon einmal auf dem Programm des Festivals. Zum 450. Geburtstag des Komponisten ist dessen „Ulisse“nun nach Innsbruck zurückgekehrt. De Marchi hat für diese Aufführungsserie eine eigene Fassung erstellt. Abgestimmt auf Ole Anders Tandbergs Inszenierung erklingen an geeigneten Stellen zusätzlich Monteverdis betörend schöne Madrigale „Lamento della Ninfa“(1638) und „Zefiro torna“(1632). Als Ouvertüre dient eine Sinfonia a 12 des Monteverdi-Schülers Francesco Cavalli.
Fabelhafte Musik
Das karge Gerüst des überlieferten „Ulisse“-Tonsatzes hat De Marchi kundig und mit viel Gespür für eine expressive Umsetzung des Textes kongenial eingerichtet. Die reichen Farbmischungen alter Instrumente sind dramaturgischen und emotionalen Inhalten jeweils auf den Leib geschneidert. Spontane Verzierungen und improvisierende Ausgestaltung der Stimmen durch die fabelhaften Musiker der Academia Montis Regalis tun ein Übriges, um der an akustische Verhältnisse vor Ort angepassten Partitur eine unwiderstehliche Wirkung zu sichern. Maßgeblich für derlei Freiheiten sind verbürgte Praktiken aus der Zeit Monteverdis.
De Marchi hat mannigfaltige Kombinationen von Blockflöten, Zinken, Barockposaunen, Dulzian, Theorben, Gamben und Streichern sowie Spinett, Cembalo, Regal und Portativ als Continuo-Instrumente für ungewöhnliche Mixturen genutzt. Faszinierend wechseln sich Klänge eines „irdischen Orchesters“für Menschen, eines „himmlischen“für die Götter und eines „Orchestra marittima für die Seefahrer im Verbund mit verschiedenen theatralischen Situationen ab. Auch innerhalb dieser Gruppen gibt es reiche Differenzierungen. So hat jeder Gott eine andere musikalische Aura. Perkussive Instrumente kommen bei folkloristisch getönten „Nummern“zum Einsatz.
Als Co-Komponist von Monteverdis zauberhaftem Tonsatz bringt De Marchi die bittersüße Harmonik und Farbmagie seiner Fassung prachtvoll zur Geltung. Dem handverlesenen Gesangsensemble bleibt stets Raum für textverständliche Deklamation. Manche Partien wurden für die jeweils ideale Stimmlage ihrer Interpreten transponiert. Kresimir Spicer setzt den Titelhelden vokal und theatralisch nuanciert in Szene. Christine Rice (Penelope), David Hansen als langhaariger Hippie Telemaco, Ingeborg Kosmo als gealterte Amme Ericlea im Kostüm, Jeffrey Francis als geistig zurückgebliebener Hirte Eumete sowie Marcell Bakonyi, Hagen Matzeit und Francesco Castoro als verführerische Freier singen ebenbürtig.
Neptun bedient
Tandbergs Inszenierung verortet das Geschehen in einer düster getäfelten Hafenkneipe mit Bildern von Schiffen an der Wand (Bühne: Erlend Birkeland). Ein erleuchteter Globus in der Ecke verweist auf den „Mann, der weit gereist ist“. Penelope im weißen Brautkleid (Kostüme: Maria Geber) wartet zwischen gelangweilten Gästen auf den verschwundenen Bräutigam. Die lange Tafel, an der alle sitzen, erinnert an Leonardo da Vincis „Abendmahl“. Hier stehen aber nur Ketchup-Flaschen und Kerzen auf dem Tisch. Bei erster Gelegenheit schleicht der Vielfraß Iro (Carlo Allemano) zur Küchendurchreiche und holt sich Berge von Currywürsten.
Die kecke Melanto (Vigdis Unsgard) und ihr Lover (Petter Moen) treiben es ziemlich ungeniert unter dem Tisch. Geführt wird der Laden als Familienbetrieb von Jupiter (Halvor Melien) und Juno (Nina Bernsteiner). Neptun (Andrew Harris) muss als missmutiger Kellner bedienen. Minerva (Ann-Beth Solvang) geistert auf der Kneipenbühne zwischen kitschigen Pappkulissen als Tiroler Hirtenbursche mit Lederhose, als Stewardess oder als Fechttrainerin herum. Insgesamt hat Tandberg die dreistündige Oper mit viel Witz und minutiöser Personenführung inszeniert.