St. Moritz will nicht mehr nur auf den Glamour vergangener Zeiten setzen
Kultur-, Natur- und Gesundheitstourismus soll jetzt neue Gäste aus Europa anlocken
●
ST. MORITZ (dpa) - Der Nobelkurort St. Moritz, der noch vom Ruhm vergangener Tage als Flaniermeile der Schönen und Reichen lebt, braucht neue Gäste. Nach einem Einbruch bei den Hotelübernachtungen um 7,1 Prozent im Jahr 2015 schloss die Wintersaison 2015/2016 mit einem Minus von 5,3 Prozent. Seit Jahren sinkt vor allem die Zahl der Besucher aus den Euro-Ländern. 2005 machten sie noch über 40 Prozent aus, heute sind es knapp mehr als 25 Prozent. Die einzige Kurve, die seit 2014 nach oben zeigt, ist die mit Gästen aus China, Indien und den Golfstaaten.
Zieht das Luxus-Image mit teuren Boutiquen und Gourmet-Tempeln nicht mehr? St. Moritz glänzte mit Geldadel, Promis und Politprominenz. Der Industrieerbe Gunter Sachs prägte mit seinem PlayboyImage und Geschichten von rauschenden Partys in seinem DraculaClub den Ruf des Ortes in den 1970er Jahren. „St. Moritz wird oft als Protzort dargestellt, das ärgert mich“, sagt sein Sohn, der Künstler Rolf Sachs. Das wunderschöne Tal, die tolle Luft, das seien die eigentlichen Werte. Sachs lebt zeitweise in St. Moritz und setzt sich für neue Impulse sein. Er fördert ein Jazz-Festival, das seinen Dracula-Club nutzen darf. „Wir müssen mehr junge Leute anziehen, Gäste aus China, Südamerika und Indien“, sagt er.
Ein Ort im Umbruch
St. Moritz habe in den letzten 30 Jahren nicht mit Innovationen geglänzt, meint Otto Steiner. Der Experte für Besucherattraktionen soll den Ort nun neu erfinden. Eine Idee ist eine zweite Dorfebene auf heutiger Dachhöhe mit Geschäften und Restaurants.
„Wir sind im Umbruch“, sagt Direktor Christoph Schlatter vom Hotel Laudinella. Er will neue europäische Gäste anziehen und hat „Santasana“ gestartet, ein Projekt, bei dem Hotels und Therapeuten im Ort individuelle Reha-Aufenthalte für Herzpatienten anbieten, mit Physiotherapie, Massagen und Kochkursen für gesunde Ernährung etwa, alles mit dem Plazet renommierter Kardiologen. Zwei Wochen dürften um die 18 000 Euro kosten.
Früher, sagt Kai Ulrich, Direktor des Hotels Cresta Palace im benachbarten Celerina, hätten Gäste ihr Geld in der Schweiz besucht und von den Zinsen Urlaub gemacht. Mit Bankentransparenz und Datenaustausch sei diese Klientel fort. Sein Rezept: sportliche Genießer anziehen. Er hat statt Friseur jetzt ein Activity Center im Haus, mit einer Fahrrad-Waschstation und einer Werkstatt, wo Gäste ihr eigenes Equipment warten können. Er vermittelt auch begleitete Radtouren und Wanderungen.
Doch trotz der Wiederentdeckung der Natur – der Glamour bleibt St. Moritz erhalten. Stararchitekt Norman Foster, der St. Moritz schon ein futuristisches Zukunftshaus schenkte, hat gerade die Tribüne zum alten Eispavillon neu gestaltet. Zu anderen noblen Kunstgalerien hat sich jetzt auch Vito Schnabel gesellt, liiert mit Model Heidi Klum. Promis werden also auch in Zukunft zur Genüge im Oberengadin herumspazieren.