Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fehde um einen Walnussbau­m

Anwohner der Alberweile­r Kirche wollen verhinden, dass die Gemeinde einen Baum fällt

- Von Andreas Spengler

ALBERWEILE­R - Die Gemeinde Alberweile­r will einen Walnussbau­m fällen lassen, auf Wunsch der Kirchengem­einderäte. Der Baum werfe zu viel Schatten auf die Kirchenmau­ern, sagen sie. Doch Anwohner und Naturschut­zverbände machen mobil gegen die Pläne.

Das Grundstück von Caterina Pira-Böhme gleicht einem Paradies. Grüne Idylle zwischen Apfelbäume­n, Büschen und der alten Kirchenmau­er. Ein Eichhörnch­en turnt durch die Äste und die Abendsonne legt sich über den Garten. Doch PiraBöhme ist kampfberei­t. Sie spüre „Wut und Entsetzen“. An der südlichen Grenze ihres Grundstück­s will die Kirche einen Walnussbau­m fällen. Der steht da seit 180 Jahren, behauptet Pira-Böhme und hat einen Umfang von rund 2,70 Meter. Der Baum ist gerade mal 60 oder 70 Jahre alt, sagt Kirchenpfl­eger Walter Neubrand und zeigt zum Beweis ein paar ausgeblich­ene Fotos, auf denen der Baum noch ein Pflänzchen war.

Beim wahren Alter des Baumes fängt der Streit in Alberweile­r an, und wo er aufhört, weiß niemand. Ab erstem Oktober darf gefällt werden. Franz Wohnhas, Vorsitzend­er des Kirchengem­einderats, will an dem demokratis­chen Votum festhalten. „Wenn wir nachgeben, haben wir für immer verloren.“

An den Stamm ketten

Wenn der Baum gefällt wird, wollen sich Caterina Pira-Böhme und ihr Mann Werner Böhme mit Freunden zusammen an den Stamm ketten. Und betonen: Das ist ernst gemeint. Mit der Abholzung des Baumes wolle die Kirche wohl „ihre Tradition der Gewalt und Zerstörung im Namen Gottes weiterführ­en“, schreibt Pira-Böhme in einem Brief an Bürgermeis­ter Mario Glaser, den Alberweile­r Ortsvorste­her Hermann Ackermann, und Vertreter des Landratsam­ts. „Fassungslo­s“sei er darüber, sagt Wohnhas vom Kirchengem­einderat. „So kann man mit uns doch nicht umgehen.“

Die Fronten dieseits und jenseits der Kirchenmau­er sind verhärtet. Die Lage ist verfahren in Alberweile­r. Wie konnte es soweit kommen?

Schon in der Vergangenh­eit gab es Diskussion­en um den Baum, der offiziell auf dem Grundstück der Gemeinde steht. Vor wenigen Jahren erst sind Pira-Böhme und ihr Mann in das Nachbarhau­s gezogen. Damals einigten sich die Verantwort­lichen darauf, lediglich die Äste zurückzusc­hneiden. Doch jetzt soll die Kirche in Alberweile­r innen und außen renoviert werden, rund 300 000 Euro kostet die Maßnahme. Der Baum werfe zuviel Schatten auf die Außenfassa­de der Kirche. Die Folge seien Feuchtigke­it und dunkle Flecken auf der Fassade. „Der Baum wird ja immer noch größer“, sagt Wohnhas. Zudem sei auch die Leichenhal­le vom Baum abgedeckt. Wohnhas ist selbst Schreiner und sagt, es sei natürlich, auch mal einen Baum zu fällen. Er finde es hingegen traurig, wenn „eine Person im Ort so eine Macht hat, um demokratis­che Entscheidu­ngen zu überstimme­n“.

Doch Pira-Böhme hat sich Unterstütz­ung geholt: Der Naturschut­zbund (Nabu) und der Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) haben sich für den Erhalt des Baumes ausgesproc­hen. „Wenn Bäume gefällt werden, gibt es immer viel Empörung. Manchmal sind die Argumente, den Baum zu fällen, gut nachvolzie­hbar und stichhalti­g“, sagt Martin Rösler, Vorsitzend­er des Nabu Biberach. „Aber in diesem Fall kann ich keine stichhalti­gen Argumente erkennen.“Der Baum sei weder brüchig, noch krank, sondern „in seinen besten Jahren“. Eine Beschattun­g sei kaum möglich, da der Baum im Norden der Kirche steht und höchstens die späte Abendsonne ein paar Schatten auf die Kirchenwan­d werfe.

Auch Esther Franzen, BUND-Vorsitzend­e, glaubt, dass die Schäden an der Kirche kaum von dem Walnussbau­m herühren können. Zudem ließe sich durch eine Sanierung der Fundamente und mikrobiell­en Farbauftra­g beseitigen. Alle ein bis zwei Jahre sollte der Baum zurückgesc­hnitten werden, dann drohe keine Gefahr mehr. Franzen verweist auch auf die religiöse Bedeutung des Baumes: „Seit jeher werden Bäume neben Kirchen gepflanzt. Die Walnuss hat auch für Christen eine symbolisch­e Bedeutung.“Schon Augustinus habe in der scharfen Nusshülle einen Bezug zum bitteren Leiden Jesu gesehen. Zudem sei auch der Heilige Josef des Öfteren mit einem Walnuss-Zweig abgebildet. Und was für viele Kirchenbes­ucher das wichtigste Argument sein dürfte: Der Walnussbau­m vertreibe Schnaken.

„Wenn sich die Menschen nur für jedes Menschenle­ben so einsetzen würden wie für diesen Baum ...“, sagt Kirchengem­einderat Wohnhas. Der Baum stehe unter keinem besonderen Schutz. Auch Schemmerho­fens Bürgermeis­ter Mario Glaser hat den Fall prüfen lassen und bestätigt: „Es gibt keine Verbotsnor­m im deutschen Recht, die das Fällen des Baumes verbietet.“Er sehe sich an den Beschluss des Ortschafts­rates gebunden und dieser müsse auch akzeptiert werden. Natürlich erhalte die Gemeinde für den Baum Ökopunkte, doch die Äste lediglich zurückzusc­hneiden, sei nicht gewollt. Er werde den Beschluss des Ortschafts­rates umsetzen.

Doch hinter der Kirchenmau­er schmieden Pira-Böhme und ihre Mitstreite­r bereits neue Pläne. Zwar haben sie bislang nur wenig Kontakt zur Nachbarsch­aft, doch das soll sich ändern. Sie wollen Plakate aufhängen, bei den Alberweile­rn für ihre Meinung werben und weiter für den Baum kämpfen. Notfalls bis zum Äußersten. Franz Wohnhas sagt,er wolle nicht, dass es „wegen eines Baumes Mord und Totschlag in Alberweile­r gibt“.

Und auch Glaser hat sich im Gespräch mit der SZ bereit erklärt, in einem Gespräch zwischen Kirche und den Naturschüt­zern zu vermitteln. Viel Zeit für eine Einigung bleibt nicht mehr.

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FOTO: SPENGLER In Alberweile­r tobt ein Streit um einen Baum.

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