Tödliches Familiendrama bei Rottweil
Erstklässler und zwei Erwachsene in Villingendorf ermordet
VILLINGENDORF (dpa/mö) - Bluttat in einem Dorf im Schwarzwald: Ein 40-Jähriger soll in Villingendorf nahe Rottweil seinen sechs Jahre alten Sohn, den neuen Lebensgefährten seiner Ex-Frau und dessen Cousine erschossen haben. Die Mutter des getöteten Sechsjährigen, der erst am Donnerstag eingeschult wurde, konnte laut Polizei flüchten. Auch ein dreijähriges Mädchen überlebte. Der mutmaßliche Täter ist flüchtig. Die Polizei sucht mit Großaufgebot nach ihm, die Ermittler banden auch die Nachbarländer Frankreich, Österreich und die Schweiz ein.
Polizei und Anwaltschaft gehen von einer Beziehungstat aus. Kaltblütig habe der Täter am Donnerstagabend vom Garten aus das Feuer eröffnet. „Die Personen dürften keinerlei Chancen gehabt haben, dem zu entkommen“, sagte Chefermittler Rolf Straub am Freitag bei einer Pressekonferenz. Der Täter feuerte aus einer Langwaffe, wohl aus Beständen der ehemaligen jugoslawischen Armee.
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KRESSBRONN - Die ersten Stimmzettel fallen in die Urne. Alle Zeichen im Kressbronner Bildungszentrum stehen am Freitagmorgen auf Wahl. Gehen in der kleinen Gemeinde im letzten württembergischen Zipfel am Bodensee die Uhren vor? Ist sie mit der Bundestagswahl früher dran als der Rest Deutschlands? So lässt sich dies nicht sagen. Die Abstimmung hat zwar etwas mit der Bundestagswahl zu tun. Stimmberechtigt sind aber nur Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Weshalb der Vorgang landläufig als U18-Wahl bekannt ist.
Votieren können die Heranwachsenden an vielen Orten im Bundesgebiet – insgesamt in über 1600 Wahllokalen. In Baden-Württemberg gibt es rund 160. In Bayern sind es 180 – meist in Schulen, so wie in Kressbronn. „Zur Bundestagswahl 2009 haben wir hier die erste U18-Wahl gehabt“, sagt Sozialpädagoge Markus Roos. Er ist vor Ort der Ansprechpartner für die Schulsozialarbeit und Initiator dieser Aktion. „Die jetzige Wahl ist die fünfte am Kressbronner Bildungszentrum“, erklärt Roos. Man sei auch vor der Landtagswahl aktiv geworden.
Prinzipiell hat es sich eingespielt, dass solche U18-Wahlen neun Tage vor der jeweiligen großen Wahl abgehalten werden. Flächendeckend ist das Ganze nicht. Es wird aufgrund der Schülerstimmen auch niemand tatsächlich gewählt. Ob eine Schule, ein Jugendzentrum oder Ähnliches mitmacht, hängt auch vom jeweiligen Engagement vor Ort ab. „Mir geht es bei der U18-Wahl darum, den Schülern politisches Bewusstsein zu vermitteln“berichtet Roos. „Sie sollen verstehen, was gerade bei der Bundestagswahl in Deutschland geschieht und was welche Partei sagt.“
Die U18-Wahl existiert seit 1996. Ihre Idee kam von Marcus Lehmann, einem Jugendhilfeplaner in Berlin. Dort gab es auch das erste Wahllokal. Das Beispiel wirkte ansteckend. Vor der vergangenen Bundestagswahl nahmen bereits 200 000 Kinder und Jugendliche an dem U18-Projekt teil. „Uns geht es darum“, betont der immer noch in die Wahlen involvierte Lehmann, „junge Menschen für die Demokratie und eines ihrer wichtigsten Instrumente zu begeistern.“
Träger der Veranstaltung sind das Deutsche Kinderhilfswerk, der Bundesjugendring, die Landesjugendringe, Jugendverbände und das Berliner U18-Netzwerk. Hetav Tek, Vizevorsitzender des Bundesjugendrings, meint dazu: „U18 ist die größte selbstbestimmte und selbstorganisierte Initiative für politische Bildung.“Gefördert wird die Aktion zudem vom Bundesfamilienministerium und der Bundeszentrale für politische Bildung.
613 Wähler in Kressbronn
Im Kressbronner Schulzentrum aus Werkrealschule, Realschule und Förderschule kommen die Schüler klassenweise. 613 Wähler sind es bis zum Schluss. Die Abstimmung ist frei und geheim, der Stimmzettel ähnelt jenem der tatsächlichen Bundestagswahl weitgehend. Vertreten sind die registrierten Parteien: an erster Stelle in Baden-Württemberg die CDU, dann Sozialdemokraten, Grüne und so weiter.
Letztlich läuft die Prozedur wie bei den Erwachsenen ab. Weshalb die Schüler in Räumlichkeiten des Bildungszentrums Wahlkabinen und eine Urne hergerichtet haben. Dass anders als bei der echten Abstimmung Parteienplakate und politische Informationen an die Wände gehängt wurden, hat mit der Bildungsidee zu tun.
Die Schüler scheinen Freude an dem U18-Projekt zu haben. „So sieht man, wie eine Wahl funktioniert“, meint die zwölfjährige Valerie, nachdem sie ihr Kreuzchen gemacht hat. Die 14-jährige Alicia sagt, es seit „gut zu sehen, was wir im Gegensatz zu den Erwachsenen wählen“. Valentin, 15 Jahre alt, berichtet, wo er seine politischen Informationen herhat: „Aus dem Internet“. Rektor Reinhard Großmüller attestiert indes, dass er die Organisation der U18-Wahlen für einen Glücksfall hält. Als Lehrerin sieht Eva Schimpf wiederum ein „völlig unterschiedliches Interesse der Schüler“an Politik. Es sei meist eher schleppend, dämpft sie etwas die Euphorie.
Spannend ist natürlich noch das Wahlergebnis. In Kressbronn sah es in der Vergangenheit offenbar die CDU vor den Grünen. Auch bundesweit konnten vor vier Jahren die Konservativen mit 27,1 Prozent am besten punkten, dahinter die Sozialdemokraten und die Grünen. Die Piraten kamen an die vierte Stelle. Die FDP wäre an der Fünfprozenthürde gescheitert, die Linke hätte es ins Parlament geschafft.
Ein vorläufiges Endergebnis der aktuellen U18-Wahl wird im Laufe des Samstags erwartet.