So fährt die PS-Branche in die nahe Zukunft
Auf der IAA in Frankfurt zeigen die Hersteller auch noch viele konventionelle Autos, allen voran neue SUV
A● ch, wenn doch nur schon morgen wäre! Selten auf einer Automobilmesse haben die Aussteller den Blick so bereitwillig nach vorne gelenkt wie in diesem Jahr auf der IAA in Frankfurt. Weil die Stimmung im Hier und Heute nach Dieselskandal und Kartellverdacht so miserabel ist und die Giganten der Blechbiegerfraktion von allen Seiten bedrängt werden, malen Männer wie Daimler-Chef Dieter Zetsche, VWBoss Matthias Müller und BMWVorstand Harald Krüger wenigstens die Zukunft in schillernden Farben: Designstudien und Technologieträger mit mehr oder weniger Bodenhaftung, aber jeder Menge visionärer Strahlkraft sollen beweisen, dass sie in Stuttgart, München oder Wolfsburg die Zeichen der Zeit sehr wohl erkannt haben. Dabei setzen die Platzhirsche vor allem auf zwei Karten: den Elektroantrieb und das autonome Fahren – und häufig wird beides kombiniert.
Doch weil die schöne neue Welt noch auf sich warten lässt und der Weg dahin ja irgendwie auch finanziert werden muss, zeigen die Hersteller auf der IAA auch jede Menge neuer Autos, die man schon bald kaufen kann. Nur sind die nicht ganz so unkonventionell und innovativ wie die Studien. Dafür allerdings haben viele von ihnen eine Eigenschaft, die in Zeiten wie diesen nötiger ist denn je: Die meisten Serienpremieren sind SUV – und damit für schweres Terrain bestens gerüstet.
Zunächst noch keine Diesel
Angeführt wird die Flut der Geländewagen vom VW-Konzern: Am unteren Ende der Skala stehen der für VW ungewöhnlich frische und jugendliche T-Roc sowie der dafür umso langweiligere Seat Arona. Ziemlich genau in der Mitte angesiedelt ist der Skoda Karoq. Das obere Ende markiert die dritte Auflage des Porsche Cayenne, die in Frankfurt mit Basis-Benziner und Top-Turbo steht und die Diskussion um den Diesel durch den zumindest vorübergehenden Verzicht auf den Selbstzünder erst einmal nicht weiter befeuert.
Aus München gibt es einen neuen BMW X3 und den – ziemlich übertriebenen – Ausblick auf den überfälligen X7. Die Koreaner wollen mit dem Doppel Hyundai Kona und Kia Stonic die Stadt erobern, Citroën setzt in dieser Liga auf den C3 Aircross, und von Dacia kommt ein neuer Duster, der einmal mehr zum billigsten Geländewagen im Land werden will.
Wenn es denn partout keine erhöhte Bodenfreiheit und Abenteueroptik sein sollen, empfehlen sich in diesem Herbst auch andere, eher vernünftige Autos – allen voran der neue VW Polo oder die für koreanische Marken überraschend leidenschaftlich gezeichneten Hyundai i30 Fastback und Kia Stinger. Weiter oben wird die Luft dagegen eher dünn. Denn außer dem neuen Audi A8, der mit seinem Staupiloten die größte Brücke zum autonomen Fahren schlägt, gibt es in der Oberklasse allenfalls Modellpflegen und -varianten. So hat Mercedes Coupé und Cabrio der S-Klasse überarbeitet, und BMW lässt einen neuen M5 von der Leine, der seine 600 PS zum ersten Mal mit Allradantrieb auf die Straße bringt.
Sportliche Karossen
Natürlich ist die IAA auch wieder eine Messe für Träumer. Nicht umsonst zeigt Bentley die neue Generation eines noch feudaleren und flotteren Continental, und nicht ohne Grund verspricht Ferrari den Besserverdienern mit dem neuen Portofino einen noch stärkeren, schnelleren und schöneren Boliden. Aber auch diesseits der Oberschicht warten Neuheiten auf sportliche Fahrer: etwa der Hyundai i30N als GTI-Jäger oder der Renault Mégane RS als Kampfansage gegen Ford Focus RS.
Doch der absolute Überflieger kommt in diesem Jahr aus Stuttgart, oder genau genommen aus Affalterbach. Denn pünktlich zum 50. Geburtstag zieht die schnelle Mercedes-Schwester AMG auf der IAA das Tuch vom Project One und verspricht mit diesem über 1000 PS starken Hypercar zum ersten Mal ein Formel-1-Auto mit Straßenzulassung. Denn unter der ultraflachen Coupéhülle aus Karbon steckt nichts anderes als der Antrieb aus dem Dienstwagen von Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton.