Protestmärsche zu Putins 65. Geburtstag
Kreml-kritische Russen demonstrieren in 80 Städten – Zuspruch aber geringer als bei früheren Kundgebungen
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MOSKAU - Tausende Demonstranten sind in Russland einem Aufruf des Oppositionsführers Alexei Nawalny zu Protesten gegen die Staatsmacht gefolgt. Der Oppositionelle und Herausforderer Präsident Wladimir Putins hatte für den Samstag zu Demonstrationen aufgerufen, nachdem er am Montag von einem Moskauer Gericht zu 20 Tagen Arrest verurteilt worden war. Ihm wurde zur Last gelegt, gegen Versammlungsverbote verstoßen zu haben. Auch Nawalnys Stabschef Leonid Wolkow wurde mit einem 20-tägigen Arrest aus dem Verkehr gezogen.
Der Protest hatte überdies einen symbolträchtigen Hintergrund: Präsident Putin feierte am Samstag seinen 65. Geburtstag. Die Kundgebung war somit auch ein besonderer Gruß Nawalnys an den Kremlchef. Der 41Jährige will an den Präsidentenwahlen im März 2018 teilnehmen. Da er wegen angeblichen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, darf er jedoch nicht kandidieren.
In Moskau folgten zwischen 1000 und 2000 Demonstranten dem Aufruf. Sie gingen mit der Losung „Für Nawalny“auf die Straße. Viele hielten aufblasbare Enten in der Hand, die ein Symbol für Korruption darstellen. Andere hielten die Russische Verfassung in die Höhe.
Insgesamt waren in 80 Städten zwischen Kaliningrad und Wladiwostok Protestaktionen geplant. An einigen Orten gingen aber nur vereinzelt Demonstranten auf die Straße. Im Vergleich zu den Massenprotesten im März und im Juni, als Zehntausende dem Ruf des charismatischen Politikers gefolgt waren, fiel der Aufmarsch diesmal bescheiden aus.
Schon vorab Durchsuchungen
Aus Jekaterinburg im Ural wurden besonders viele Festnahmen gemeldet. Auch in Sankt Petersburg kam es nach gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei zu Dutzenden Festnahmen. An vielen Orten von Kaliningrad über Sotschi bis zur Insel Sachalin im äußersten Osten schlugen die Sicherheitskräfte schon vor den Kundgebungen zu, überprüften Aktivisten und durchsuchten Wohnungen und Büros.
Teils versuchten lokale Behörden, mögliche Demonstranten durch Auflagen von der Teilnahme abzuhalten. In der Lada-Stadt Togliatti etwa wurden Lehrer verpflichtet, mit Schülern einen Arbeitssamstag abzuhalten. In Pskow an der Grenze zu Estland war der Versammlungsort plötzlich vergeben: Am Fuß des Denkmals für Königin Olga hatte sich plötzlich auch die Therapiegruppe „Nüchternes Russland“angemeldet.
In Moskau skandierten die Demonstranten despektierlich: „Herzlichen Glückwunsch und auf Wiedersehen!“Manche riefen übermütig: „Wir haben hier die Macht!“Dieser Eindruck konnte entstehen, da sich die Sicherheitskräfte im Vergleich zu früheren Großdemonstrationen diesmal auffallend zurückhielten. Gleichwohl war in den Nebenstraßen ein Streitheer aufgefahren, das keine Zweifel an der Machtfrage aufkommen ließ.
Der Historiker und Oppositionelle Valerie Solowei kommentierte die Zurückhaltung des Kremls als „sehr weise“. Diese Runde sei an den Kreml gegangen. Demnach hätten die Machthaber verstanden, dass von dem Protest für sie keine ernsthafte Gefahr ausginge.