Kaum Kritik am Anti-Terror-Paket
Nur SPD attackiert Pläne von Grünen und CDU – Ermittler dürfen Handys hacken
STUTTGART (lsw) - Das Anti-Terror-Paket der grün-schwarzen Landesregierung hat am Mittwoch in der ersten Lesung kaum Kritik ausgelöst. Zwar monierte Sascha Binder, der Rechtsexperte der SPD-Fraktion, fehlende Software für die sogenannte Quellen-TelekommunikationsÜberwachung, ansonsten gab es viel Zustimmung für die Pläne. Der AfDAbgeordnete Lars Patrick Berg hielt sie generell für gut, warnte aber vor zu viel Überwachung. Innenminister Thomas Strobl (CDU) verteidigte die Maßnahmen. ●
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STUTTGART - Es soll eine der größten Reformen von Grünen und CDU bis 2021 werden: das neue Polizeiund Verfassungsschutzgesetz. Es räumt den Ermittlern zahlreiche neue Möglichkeiten ein, unter anderem das Hacken von Handys. In der ersten Landtagsdebatte über die Pläne äußerte die Opposition erstaunlich wenig Kritik. Nur die SPD hat grundsätzliche Bedenken. Doch selbst die Sozialdemokraten halten vieles für sinnvoll.
Kommt das Gesetz so wie geplant, dann dürfen Polizei und Verfassungsschutz künftig erheblich mehr als bislang. Schon bevor eine Straftat begangen wurde und es ganz konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, können die Ermittler Telefonate mithören und Chats etwa bei WhatsApp mitlesen. Die entsprechende Software dafür können die Behörden heimlich auf Smartphones schleusen, um die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) zu ermöglichen. Gefährder darf sie per elektronischer Fußfessel überwachen, außerdem wird eine intelligente Videoüberwachung getestet. Diese schlägt Alarm, wenn ungewöhnliche Bewegungsmuster auftreten.
120 Gefährder im Land
Im Grundsatz einig waren sich am Mittwoch alle Redner. Terroristen bedrohen die Sicherheit in Deutschland. Laut Innenministerium leben rund 3500 Islamisten in Baden-Württemberg. 120 von ihnen gelten als besonders gewaltbereit. Ob Grüne, CDU oder die Oppositionsparteien: Alle betonten, der Staat müsse seine Bürger vor dieser Gefahr schützen.
Auseinander gingen die Meinungen allerdings bei zwei Fragen: Tragen die geplanten Gesetzesänderungen zu mehr Sicherheit bei? Und wahren sie die Bürgerrechte beim Schutz der persönlichen Daten? Innenminister Thomas Strobl (CDU) bejahte beide Punkte. „In BadenWürttemberg und Bayern gibt es jetzt das Musterpolizeigesetz für ganz Deutschland“, so der Minister.
Es versetze die Ermittler in die Lage, die modernen technischen Möglichkeiten zu nutzen. Außerdem helfe es der Polizei, Anschläge zu verhindern, anstatt sie nur aufzuklären. Selbstverständlich beachte man dabei Vorgaben der Verfassung. Die Kritik des Datenschutzbeauftragen nehme er daher sehr ernst, so Strobl. Der oberste Datenschützer des Landes hält den Nutzen der geplanten Maßnahmen für offen und sieht Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Die Grünen hatten den Entwurf wegen verfassungsrechtlicher Bedenken entschärft. Nun liege ein Gesetz vor, welches das Maß zwischen Sicherheit und Freiheit des Einzelnen wahre, konstatierte ihr Innenexperte Hans-Ulrich Sckerl. Terrorbekämpfung sei längst ein Kernthema für die Grünen. „Nur wer frei von Angst leben kann, der kann auch unabhängig und frei leben“, so Sckerl.
Die deutlichste Kritik kam von der SPD. Sie moniert mehrere Punkte. Zum einen gibt es bislang noch keine geeignete Software, mit der die Behörden Chats mitlesen können. „Wir wollen aber schon wissen, ob Mittel geeignet und verfassungsgemäß sind, wenn wir darüber abstimmen“, sagte Sascha Binder (SPD). Außerdem darf die Polizei einen Online-Lauschangriff selbst anordnen, wenn Gefahr im Verzug ist. „Damit schleifen Sie den Richtervorbehalt“, so Binder. Dieser sieht vor, dass bei Eingriffen in Persönlichkeitsrechte ein Richter einwilligen muss.
Der AfD-Abgeordnete Lars Patrick Berg lobte das Anliegen der Landesregierung. Dennoch stellten sich kritische Fragen. So könne ein zur Überwachung eingeschleuster Staatstrojaner auch unbescholtene Bürger ausspähen.
Für die FDP sagte Ulrich Goll: „Das Sicherheitspaket ist angesichts der terroristischen Bedrohungen weitgehend sinnvoll“. Er forderte aber mehr Personal für die Sicherheitsbehörde.
Nun beraten die Fachausschüsse den Entwurf, im November will der Landtag in beschließen.