Schlecker-Prozess vor Finale
Richter empfiehlt, Teile der Anklage fallen zu lassen
STUTTGART (tja) - Der Prozess gegen den einstigen Ehinger Drogeriemarkt-König Anton Schlecker und seine Kinder geht in die entscheidende Phase. Am Montag empfahl der Vorsitzende Richter Roderich Martis, einige Anklagepunkte gegen die Familie nicht weiter zu verfolgen. Der Staatsanwalt muss aber noch zustimmen.
Tut er dies, bedeutet das für Schlecker sowie die Geschwister Meike und Lars keineswegs nur Gutes. Ihnen wird vorgeworfen, vor der Pleite der Drogeriemärkte im Jahr 2012 rund 25 Millionen Euro illegal beiseitegeschafft zu haben. Entfallen nun Vorwürfe, könnte sich das positiv auf das Strafmaß auswirken.
Ein Freispruch scheint aber mit dem Ansinnen des Richters immer unwahrscheinlicher. Denn die Anklagepunkten würden nur fallen gelassen, weil die Kammer die übrigen Vorwürfe gegen Schlecker für weitaus gravierender hält.
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STUTTGART - Im Verfahren gegen den einstigen Drogeriemarktkönig Anton Schlecker hat der Vorsitzende Richter am Montag empfohlen, die Anklage gegen den Ehinger und seine Kinder abzuspecken. Das muss aber nicht bedeuten, dass Schlecker straffrei davonkommt – im Gegenteil. Die Staatsanwaltschaft muss der Einstellung einiger Anklagepunkte zustimmen. Ob sie dies tut, will sie am kommenden Montag mitteilen.
Schlecker und seine beiden Kinder müssen sich wegen vorsätzlichen Bankrotts, Beihilfe zum Bankrott und Untreue vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Unter anderem sollen sie gemeinsam ab 2010 rund 25 Millionen Euro aus dem Unternehmen gezogen haben, um es vor den Gläubigern zu retten. Die Richter schlagen nun vor, einige Punkte aus der umfangreichen Liste von Vorwürfen nicht mehr gerichtlich zu klären. Allerdings würde das keineswegs bedeuten, dass die Schleckers straffrei ausgehen würden. Grundlage des vom Richter vorgeschlagenen Vorgehens ist der Paragraf 154 der Strafprozessordnung. Nach diesem kann die Staatsanwaltschaft Anklagepunkte fallen lassen, wenn es weitere Vorwürfe gibt – und deren Bestrafung deutlich mehr ins Gewicht fällt als die Übrigen. Und geht es nach den Richtern, würde von den Vorwürfen gegen Schlecker und seine Kinder durchaus Substanzielles bleiben.
Eine entscheidende Frage im Prozess: Wann musste Schlecker wissen, dass sein Unternehmen kurz vor der Pleite stand? Je länger der Zeitraum zwischen dieser Erkenntnis und dem Insolvenzantrag im Februar 2012 war, umso belastender ist das für den Angeklagten. Denn desto länger hätte er den Konkurs vorsätzlich verschleppt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm bislang unter anderem vor, ab Januar 2010 absichtlich überhöhte Rechnungen an eine Tochtergesellschaft gestellt zu haben. Diese gehörte seinen Kindern Meike und Lars. Dadurch, so die Anklage, habe die Familie illegal Geld beiseite geschafft, das eigentlich den Gläubigern des Schlecker-Imperiums zustand.
Zuletzt war die Staatsanwaltschaft etwas von diesen Vorwürfen abgerückt. Auch sie hält es nun für wahrscheinlich, dass Schlecker selbst erst Ende 2010 mit der Pleite rechnete. Der Richter sieht diesen Zeitpunkt sogar noch etwas später. Und so will er nun einige Vorwürfe nicht mehr verfolgen, die sich auf einen Zeitraum vor Januar 2011 beziehen. Damit würde sich der vermeintlich entstandene Schaden reduzieren. Beides hätte Auswirkungen auf ein mögliches Strafmaß. Andererseits hatten Lars und Meike ab Frühjahr 2011 die Forderungen ihrer Firma an den Vater sogar noch einmal erhöht – und damit in den Augen der Anklage versucht, noch mehr Geld für sich abzuzweigen.
Neue Anträge der Verteidigung
Beim nächsten Verhandlungstermin am kommenden Montag geht es in Stuttgart um zwei wichtige Fragen. Zum einen hat die Verteidigung von Meike Schlecker mehrere Anträge gestellt. Das Gericht muss entscheiden, ob es diese zulässt. Dann würde der Prozess wohl noch länger dauern. Die Anwälte wollen unter anderem ein weiteres Sachverständigengutachten. Dabei geht es um die umstrittene Gewinnausschüttung vom 20. Januar 2012. Damals hatten die Geschwister Meike und Lars gerade erfahren, dass ihr Vater wenige Tage später Insolvenz anmelden würde. Dennoch überwiesen sie sich je 3,5 Millionen Euro aus dem Guthaben ihrer Firma LDG. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war das ein Versuch, Geld vor den Gläubigern zu retten. Die Anwälte argumentieren nun unter anderem, es sei kein wirtschaftlicher Schaden entstanden. Meike Schlecker habe das Geld stets so angelegt, dass es jederzeit verfügbar gewesen sei, um es im Falle einer Insolvenz der Gruppe zurückzahlen zu können, was sie später auch tat.
Die zweite Frage: Stellt die Staatsanwaltschaft tatsächlich einige Anklagepunkte ein, und wenn ja, welche? Das könnte das Verfahren beschleunigen. Dennoch scheint es mit dem Prozesstag am Montag immer unwahrscheinlicher, dass Schlecker und seine Kinder gänzlich straffrei davon kommen. Die Kammer neigt offenbar dazu, ihn zumindest in einigen Anklagepunkten schuldig zu sprechen. Sie könnte Geld- oder Haftstrafen aussprechen, letztere auch zur Bewährung. Dann bliebe Schlecker auf freiem Fuß.