Verdächtige Transporter im Visier
Bei einer nächtlichen Großkontrolle auf der B 28 überprüfen Polizisten rund 600 Menschen
● SENDEN/NEU-ULM - Die Angst vor Einbrechern ist in der Bevölkerung groß. Besonders oft schlugen die Täter im vergangenen Jahr im südwestlichen Schwaben zu. Die Polizei geht dort nun neue Wege: mit einer Sonderkommission und Schwerpunktkontrollen.
Der Polizist steht mitten auf der Autobahn, die auf eine Spur verengt wurde. Es ist dunkel, große Lampen sind entlang der B 28 aufgebaut. Er schaut prüfend in jedes Fahrzeug, checkt das Kennzeichen. Er muss in Sekunden entscheiden, ob es sich lohnt, dieses Auto genauer zu kontrollieren. Passen Fahrer und Fahrzeug zusammen? Wäre der Kastenwagen interessant für den Zoll? Dann leuchtet das rote Warnsignal auf: Stopp. Der Polizist winkt den Fahrer eines Kastenwagens mit Kennzeichen EN (Ennepe-Ruhr-Kreis in Nordrhein-Westfalen) raus. Der junge Mann am Steuer fährt durch die Pylonen auf den Autobahn-Parkplatz. Dort wartet ein anderer Polizist auf ihn. Der weiß in dieser kurzen Zeit schon, welchen Verdacht sein Kollege an der Straße hatte: Drogenkonsum. Das schallt aus dem Funkgerät, sobald der Kastenwagen Richtung Parkplatz rollt. Dort stehen schon viele andere Fahrzeuge, die überprüft werden.
100 Einsatzkräfte vor Ort
Die Sendener Polizei führt an diesem Abend eine groß angelegte Kontrolle durchgeführt. 60 Beamte von Polizei und Zoll sind involviert und 40 Ehrenamtliche vom Technischen Hilfswerk, der Feuerwehr Senden und Mitarbeiter der Autobahnmeisterei. Auf der B 28 wird zwischen Senden und Neu-Ulm in beiden Fahrtrichtungen kontrolliert. Am Ende des Tages haben die Beamten rund 600 Leute in 400 Fahrzeugen überprüft.
Der Anlass für die aufwendige Kontrolle sind Wohnungseinbrüche: Sobald es wieder dunkler wird, nehmen diese erfahrungsgemäß zu. Die Kontrolle soll deswegen für Sicherheit in der Bevölkerung sorgen. „Die Leute sollen erkennen, dass die Polizei die Einbrecher-Szene aufmerksam im Blick hat“, sagt Sendens Polizeichef Thomas Merk, der die Aktion geleitet hat. Und die Einbrecher sollen verunsichert werden. Natürlich sei es für die Anwohner nervig, wegen der Kontrolle im Stau zu stehen, „aber wir sind nicht in erster Linie an den Neu-Ulmern interessiert“, sagt Merk. Sondern vielmehr an auffälligen Kastenwägen, Mietautos oder getunten Fahrzeugen.
Denn bei so einer großen Aktion wird nicht nur auf potenzielle Einbrecher geachtet, wie Polizeichef Merk betont. Es ist eine ganzheitliche Verkehrskontrolle, was bedeutet, dass die Polizisten deutlich mehr Rechte haben als bei einer normalen Kontrolle. Auf dem Parkplatz sind Zelte aufgebaut, dort können Verdächtige durchsucht werden oder in einen der berüchtigten Becher pinkeln. Auf verschiedene Einsatzwagen von Polizei und Feuerwehr sind Tablets verteilt, mit denen nach mehr Informationen gesucht werden kann. Ein Generator brummt laut, er garantiert die Stromversorgung. Und einen kleinen Pausenraum für die Mitarbeiter, die stundenlang in der Kälte stehen, gibt es auch. „Wir haben eine ausgelagerte Polizeidienststelle auf dem Parkplatz aufgebau“, sagt Merk und lacht.
Es herrscht Hochbetrieb auf dem Parkplatz, der völlig anders aussieht als tagsüber. „Ohne das Equipment von Technischem Hilfswerk und Feuerwehr und deren Engagement wäre das in der Form nicht möglich gewesen“, sagt Merk. Und auch nicht ohne das breite Fachwissen der verschiedenen Polizisten, denn so gebe es zu jedem Delikt einen Ansprechpartner. An dem Abend sind die Sendener und Neu-Ulmer Polizei, Diensthundeführer aus Neu-Ulm und die Autobahnpolizei Günzburg dabei.
Auf dem Parkplatz sind mehrere Parkflächen eingeteilt. Die angehaltenen Autos müssen nach Anweisung parken: etwa in den Bereichen Zoll, Drogen, Waffen. Der junge Mann im Kastenwagen ist wohl unter Drogen gefahren, das besagt der erste Test. Er wird nun auf die Dienststelle gebracht, wo ihm Blut abgenommen wird. Er wird heute nicht mehr fahren dürfen.
Ein anderer Mitarbeiter muss kommen und den Kastenwagen vom Parkplatz fahren. Doch vorher wird das Fahrzeug noch von einem echten Experten untersucht: dem Rauschgifthund Kid. Polizistin Tanja Buchen führt das Tier an der Leine ins Auto, der Hund schnüffelt voller Tatendrang herum. Doch nicht lange, dann scheint festzustehen: Im Auto ist nichts. Kid braucht nun erst mal eine kleine Pause.
Die können sich die Mitarbeiter des Zolls aus Lindau hingegen kaum erlauben: Sie sind ziemlich beschäftigt an dem Abend. Kontrolliert werden etwa die Aufenthaltsgenehmigungen von Asylbewerbern oder, ob Handwerker von ihren Firmen auch sozialversicherungspflichtig gemeldet sind. Und das mit Erfolg: Rund 60 Prozent der Kontrollen sind auffällig, sagt Zollbeamter Rainer Strohmayer. Wer keinen Wohnsitz in Deutschland hat, wird danach unter Umständen vorläufig festgenommen und kommt manchmal in Untersuchungshaft. Die Strafen für die Firmen seien jedoch noch höher als für die Arbeiter.
Beschlagnahmte Waffen
Die Aktion ist generell „außergewöhnlich erfolgreich“, wie Sprecher Christian Eckel vom Polizeipräsidium Schwaben Süd/West sagt. Einige Waffen werden beschlagnahmt, es gibt drei Fälle mit Kokain, fünf Fahrer unter Drogen, einen gefälschten Ausweis und mehrere Verstöße nach dem Versicherungsgesetz. Das freut auch Sendens Polizeichef Merk, wobei „es eigentlich schöner wäre, wenn niemand unter Drogen am Steuer sitzen würde“.
Weil so viele Tests anschlagen, wird nach rund zwei Stunden Kontrolle ein Arzt auf den Parkplatz dazugeholt. Er nimmt den Verdächtigen vor Ort Blut ab. Daran sehe man, wie notwendig solche Kontrollen seien. Dann ist Merk plötzlich weg: Per Funk kam die Info, dass jemand vor dem Kontrollpunkt etwas aus dem Auto geworfen hat. Mit Taschenlampen durchsuchen die Polizisten die angrenzende Wiese.
Um 23 Uhr ist Schluss. Noch in der Nacht wird alles aufgeräumt, am nächsten Tag sieht es so aus, als habe es dort nie eine Kontrolle gegeben.