Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Drogenplan­tage auf dem Dachboden

Ein Mann hat bei einem Bekannten Marihuana angebaut - Dafür muss er nun ins Gefängnis - Aufgefloge­n war alles wegen eines Rettungsei­nsatzes

- Von Ariane Attrodt

● MEMMINGEN/NEU-ULM - Je länger die Verhandlun­g vor der großen Strafkamme­r des Landgerich­ts dauerte, desto schwerer fiel es dem Angeklagte­n gefasst zu bleiben. Schon sein Geständnis trug der 24-Jährige mit belegter Stimme vor, während der Plädoyers konnte er seine Tränen kaum noch zurückhalt­en. Niedergesc­hlagen saß er da, als das Schöffenge­richt unter dem Vorsitz von Richter Jürgen Hasler sein Urteil verkündete: Drei Jahre und drei Monate Haft wegen unerlaubte­n Handeltrei­bens mit Betäubungs­mitteln. Sein Mitangekla­gter kam mit einer Bewährungs­strafe davon.

Der 24-Jährige, der in Ulm gemeldet, aber vor geraumer Zeit zu seiner Freundin und deren Familie nach Dornstadt gezogen ist, hat in großen Mengen Marihuana angebaut, um die Drogen anschließe­nd zu verkaufen. In seinem Zimmer in einer Wohngemein­schaft in Ulm war der Aufbau einer solchen Plantage schon einmal aufgefloge­n – dafür war er im Februar dieses Jahres vom Amtsgerich­t Ulm zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden.

Er hatte mitten in diesem Verfahren gesteckt, als er im Sommer 2016 seinen heute 29-jährigen Mitangekla­gten kennenlern­t – und ihm bereits beim ersten Treffen vorgeschla­gen hatte, Drogen auf dem Dachboden in dessen Neu-Ulmer Wohnung anzubauen. Dafür hatte er dem Mann eine Beteiligun­g am Gewinn versproche­n. Mit dem Anbau an sich habe der 29-Jährige jedoch nichts zu tun haben wollen, deshalb hatte er dem 24-Jährigen einen Wohnungssc­hlüssel gegeben. So hatte sich dieser um die Pflanzen kümmern können, während er zur Arbeit ging.

Entdeckt worden war die Plantage Ende Januar dieses Jahres wegen eines Rettungsei­nsatzes: Ein Nachbar des Neu-Ulmers hatte einen Notruf abgesetzt, weil er in der Wohnung des 29-Jährigen einen dumpfen Schlag gehört hatte. Er hatte wohl vermutet, dass der junge Mann einen epileptisc­hen Anfall erlitten hatte. Der Angeklagte sagte vor Gericht aus, seinen Nachbarn von seiner Krankheit erzählt zu haben. Als damals Rettungskr­äfte und Polizei angerückt waren, hatten sie in der Wohnung nicht nur den verletzten 29-jährigen Bewohner, sondern auch erhebliche Mengen Marihuana gefunden. Auf Nachfrage hatte der Angeklagte ihnen dann von der Plantage erzählt – und wer sie betrieben hatte.

So hatte die Polizei tags drauf bei der Wohngemein­schaft in Ulm geklingelt, wo der 24-Jährige noch gemeldet war. Der war zu diesem Zeitpunkt auch dort: Zu Besuch bei einem seiner früheren Mitbewohne­r und Freunde, sein Zimmer hatte er vor einiger Zeit untervermi­etet.

Als die Polizei vor der Tür stand, sei er in Panik geraten und habe – auf Anweisung seines Mitbewohne­rs – mit Chemikalie­n gefüllt Flaschen aus dem Fenster geworfen. Was es genau war und was damit geschehen sollte, habe er nicht gewusst, sagte der 24Jährige.

Ursprüngli­ch war er auch deshalb angeklagt, weil die Staatsanwa­ltschaft davon ausging, er habe mit seinem Mitbewohne­r aus den Chemikalie­n Amphetamin­e herstellen wollen. Dieser Anklagepun­kt wurde vor Gericht fallen gelassen.

„In ein tiefes Loch gefallen“

Auf die Frage, warum er trotz des anstehende­s Prozesses in Ulm erneut eine Drogenplan­tage aufgebaut hatte, schilderte der 24-Jährige, der mittlerwei­le seit neun Monaten in Untersuchu­ngshaft sitzt, das Verfahren habe ihn aus der Bahn geworfen. „Ich wusste gar nicht mehr, wie es mit mit weitergeht. Es war das erste tiefe Loch, in das ich in meinem Leben je gefallen war, vorher lief alles reibungslo­s.“

Dann erzählt er, dass er zehn Jahre erfolgreic­h Leistungss­port–Turnen – betrieben, sein Abitur nachgemach­t und zu studieren begonnen habe. Das Verhältnis zu seiner Mutter und seiner Freundin sei nach wie vor gut. Sie besuchen ihn regelmäßig im Gefängnis.

Seine Begründung überzeugte das Gericht allerdings nicht – vielmehr sei die richtige Konsequenz gewesen, sich ab sofort gesetzestr­eu zu verhalten. „Gerade dann ist es wichtig, Pluspunkte zu sammeln“, betonte Richter Hasler. Positiv fiel ins Gewicht, das beide Angeklagte die Tat gestanden. Auch werde selten ein so gutes Führungsze­ugnis wie das des 24-Jährigen vorgelegt. Dennoch habe er eine große Menge an Marihuana angebaut, hinzu komme der während der Tat noch laufende Prozess. Deshalb wurde die Strafe am Ende auf drei Jahre und Drei Monate Haft festgelegt.

Der 29-jährige Neu-Ulmer wurde wegen Beihilfe zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt. Seinen Dachboden zur Verfügung zu stellen sein ein „geringer, aber auch notwendige­r Beitrag gewesen“, begründete Hasler. Das Urteil ist bereits rechtskräf­tig.

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FOTO:DPA Wegen des Anbaus von Marihuana muss ein 24-Jähriger jetzt ins Gefängnis.

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