Im Süden fehlen die Managerinnen
Konzerne brauchen 2018 mehr als 100 Top-Managerinnen – Südwest-Projekt hilft bei der Suche
RAVENSBURG (epd) - Baden-Württemberg hat einem Zeitungsbericht zufolge mit 22,5 Prozent die bundesweit niedrigste Quote an Frauen in Führungspositionen. In Bayern liegt die Quote bei 25 Prozent und damit im bundesweiten Durchschnitt. Am höchsten ist ihr Anteil mit 37 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin (36 Prozent) und Sachsen-Anhalt. Gut stehen die Chancen 2018 für weibliche Aufsichtsräte.
●
●
RAVENSBURG - Den Düsseldorfer Waschmittelkonzern Henkel kennt jedes Kind. Die Enkelin des Firmengründers Fritz Henkel kennt außerhalb des Unternehmens kaum jemand. Dabei zählt Simone BagelTrah zu den mächtigsten Wirtschaftsfrauen der Republik. Mit der promovierten Mikrobiologin und Mutter von zwei Kindern setzte sich 2008 nicht nur erstmals eine Frau im Familienclan durch. Bagel-Trah war auch erste Aufsichtsratsvorsitzende eines deutschen Dax Konzerns – und ist bis heute eine echte Exotin.
Das dürfte sich bald ändern, denn 2018 könnte das Jahr der Frauen werden. Nie zuvor waren ihre Chancen, einen Aufsichtsratsposten zu ergattern, so groß, denn noch nie mussten so viele Stellen in den Kontrollgremien der Dax- und M-Dax-Konzerne neu besetzt werden. Laut einer Studie der Personalberatung Russell Reynolds mit Sitz in München werden fast doppelt so viele Aufsichtsräte neu gewählt wie in einem normalen Jahr.
Allein in den Dax-30-Kontrollgremien stehen mit 166 Mandaten fast zwei Drittel der Posten zur Wahl. Beim M-Dax wird fast die Hälfte der Mandate frei. Bei 18 Dax-Konzernen, – darunter Adidas, Siemens und Lufthansa – laufen sogar die Mandate der Vorsitzenden aus. Um die gesetzliche 30-Prozent-Quote zu erreichen, müssten insgesamt rund 120 Managerinnen in die Aufsichtsräte von Dax und M-Dax gewählt werden, sagt Jens-Thomas Pietralla, einer der Studienautoren.
Wer sich jetzt bei der Suche nicht klar positioniert, habe das Nachsehen, warnten die Autoren bereits im Sommer und prophezeiten ein spannendes Rennen um die besten Kandidaten. „Mittlerweile hat tatsächlich ein intensives Werben um diese qualifizierten Frauen eingesetzt“, sagt Pietralla. Die gesetzliche Frauenquote erhöhe den Druck, geeignete Kandidatinnen zu finden.
Immerhin: Die ausgewogene Nachbesetzung mit Frauen sei mittlerweile eine Normalität geworden und keine verzweifelte Suche mehr, sagt Pietralla. „Die Frauen werden frühzeitig angesprochen.“Außerdem versuchten die Unternehmen, sich qualifizierte Managerinnen zu „reservieren“. „Wenn es in diesem Jahr mit dem Mandat nicht klappt, vereinbart man etwas für nächstes oder übernächstes Jahr. Kandidatinnen gibt es genügend. Man muss sie nur suchen – notfalls auch im Ausland.“
Suche im eigenen Netzwerk
Pietrallas Einschätzung nach findet diese Suche nach wie vor vor allem im eigenen Netzwerk statt. Genau davon will das von der Europäischen Union und vom Land Baden-Württemberg unterstützte Pilotprojekt „Spitzenfrauen-bw.de“wegkommen. Die auf mittelständische Unternehmen spezialisierte Datenbank soll nicht nur die Chancen der Frauen verbessern, sondern auch die Qualität der Gremien. „Die bisher noch oft übliche Besetzung aus dem eigenen Umfeld mit Freunden, Familie oder Geschäftspartnern macht befangen“, sagt Barbara Burghardt-Reich, eine der beiden Projektleiterinnen und Geschäftsführerin am Steinbeis-Innovationszentrum Unternehmensentwicklung an der Hochschule Pforzheim. Studien zeigen: Je unterschiedlicher die Gremien besetzt sind, desto besser die Entscheidungen. Stichwort Diversity.
In der Datenbank können Unternehmen gezielt und kostenlos nach bestimmten Kompetenzen suchen, die sie im Kontrollgremium ausbauen wollen, etwa im Finanz- oder ITBereich. Mitunter sind bestimmte Branchenkenntnisse gefragt. Der Posten für den Beirat der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Baden-Württemberg wurde beispielsweise 2014 mithilfe von „Spitzenfrauen-bw.de“neu besetzt. Damals wurde als Nachfolge der VaudeChefin Antje von Dewitz eine Expertin aus dem Handel gesucht. Auf sie folgte Marina Fuchs-Halbgewachs, die bereits 23 Jahre Erfahrung als Geschäftsführerin hatte, zuletzt beim Pforzheimer Versandhaus Klingel.
„Den Vorwurf vieler Firmen, dass es zu wenige geeignete Frauen für Aufsichtsratsposten gibt, konnten wir mit der Datenbank entkräften“, sagt Burghardt-Reich. Auch am Engagement mangelt es nicht, betont die Professorin. „Das Interesse der Frauen ist enorm.“Mehr als 300 Managerinnen haben das strenge Auswahlverfahren durchlaufen und sich mittlerweile registrieren lassen.
Strenge Kriterien
Die Kriterien wurden mit einem zehnköpfigen Fachbeirat und dem baden-württembergischen Wirtschaftsministerium entwickelt. Mit dabei waren Andreas Hafner, Vorstandsmitglied bei der Porsche AG, Christoph Kübel, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor bei Bosch, Telekom-Managerin Elke Frank und der ehemalige baden-württembergische IHK-Chef Peter Kulitz.
Um in der Datenbank aufgenommen zu werden, müssen die Frauen beispielsweise mindestens fünf Jahre Erfahrung als Geschäftsführerin, Prokuristin oder im Vorstand vorweisen können und ein Jahresbudget von mindestens 250 000 Euro im Jahr verantworten. Auch mit einem hohen politischen Amt, etwa als Staatssekretärin, hat man gute Chancen.
Trotz dieser Vorauswahl ist das Interesse der mittelständischen Firmen gering. Gerade einmal eine Anfrage hat es in den vergangenen Monaten gegeben. Dabei habe man mehrere Hundert Unternehmen mit Aufsichtsratsratsgremien im Südwesten angeschrieben, so die Projektleiterin.
Auch bei den kommunalen Unternehmen und Beteiligungsgesellschaften lag die Nachfrage bei null. Dabei gibt es auch hier Nachholbedarf. Laut einer Studie der Zeppelin Universität in Friedrichshafen mit 1500 öffentlichen Unternehmen in 69 Städten sind Frauen dort in den TopManagementorganen nur zu 17 Prozent vertreten. In Baden-Württemberg liegt der Frauenanteil bei 15 Prozent.
Besonders schlecht schnitt Bayern ab. Dort war gerade mal jede zehnte Top-Führungskraft eine Frau. Für Ulf Papenfuss, Professor für Public Management & Public Policy, ist das Ergebnis nicht befriedigend. „Gerade für öffentliche Unternehmen sollte die öffentliche Hand durch konkrete Maßnahmen ihre gesellschaftspolitische Vorbildfunktion und ihre Einflussmöglichkeiten als Eigentümerin wahrnehmen.“