Umweltschutz verpufft
Studie: Fortschritt hebt positive Effekte auf
BERLIN (hko) - Nur in wenigen Bereichen ist der Deutsche umweltbewusst und achtet auf Nachhaltigkeit, wie die heute veröffentlichte Studie „Grüne Produkte in Deutschland 2017“des Umweltbundesamtes aufzeigt. Bei Haushaltsgeräten falle die Kaufentscheidung demnach fast ausschließlich zugunsten stromsparender Modelle aus. Doch das sei eine der wenigen Ausnahmen, was zur Folge habe, dass der Ausstoß an klimaschädlichen Gasen durch private Haushalte seit 2003 nur leicht gesunken ist – und seit etwa zehn Jahren stagniert. Beispielsweise würden Einsparungen beim Heizen durch die allgemein zunehmende Wohnfläche pro Kopf sowie ineffektive Dämmung zunichtegemacht. Auch die starke Zunahme des Stromverbrauchs nivelliert den Effekt erneuerbarer Energien zum Teil. Das Wachstum fresse den Umweltfortschritt wieder auf, ist eine Schlussfolgerung der Studie.
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BERLIN - Die Bundesbürger kaufen fast nur stromsparende Haushaltsgeräte. Schon 2015 trugen knapp 90 Prozent der neuen Waschmaschinen die Bezeichnung A++ oder höher. Bei den Gefrierschränken waren es 85 Prozent und bei den Geschirrspülern drei Viertel der erworbenen Geräte. Der Umwelt-Fortschritt in den Privathaushalten scheint unaufhaltsam.
Diese Zahlen stehen in der neuen Studie „Grüne Produkte in Deutschland 2017“, die das Umweltbundesamt (UBA) am Dienstag offiziell veröffentlicht. Nach Einschätzung des UBA verbrauchen die modernen Haushaltsgeräte weniger Strom bei gleicher Leistung als ihre Vorgänger. Hier mache sich eine vernünftige staatliche Regulierung bemerkbar: Unter anderem die Öko-DesignRichtlinie der Europäischen Union bewirke, dass der Stromverbrauch sinke. Und die entsprechende Kennzeichung nach Effizienzklassen erleichtere es den Verbraucher, sparsame Geräte auszuwählen.
Allerdings ist der hohe Öko-Anteil in Küche und Bad die Ausnahme, wenn man den Konsum insgesamt betrachtet. In einzelnen Bereichen und bei bestimmten Produkten wird der Verbrauch tatsächlich nachhaltiger. Beim entscheidenden Punkt erkennen Myriam Steinemann vom Infras-Institut in Zürich und Michael Bilharz (UBA) insgesamt aber kaum Fortschritt: Der durch den privaten Konsum bewirkte Ausstoß klimaschädlicher Gase ist seit 2003 nur leicht gesunken. Während die Bundesbürger vor 14 Jahren pro Kopf und Jahr acht Tonnen Kohlendioxid (CO2) verursachten, waren es 2014 noch 7,8 Tonnen.
Ziele in weiter Ferne
Von der notwendigen Reduktion ist das „weit entfernt“, schreiben die Autoren. Um das deutsche Ziel zu erreichen, den CO2-Ausstoß bis 2050 insgesamt nahe Null zu senken, müssten die Emissionen aus dem Konsum pro Jahrzehnt um etwa 25 Prozent zurückgehen. Im vergangenen Jahrzehnt blieben sie aber nahezu gleich. „Ein Ansatz, der stark auf die Freiwilligkeit der Marktakteure setzt, greift viel zu kurz“, heißt es, „der Staat muss stärker eingreifen und umsteuern“.
Ihre Analyse konkretisieren die Autor für die wichtigsten Bereiche. Wohnen, Mobilität und Ernährung sind für etwa vier Fünftel des CO2Ausstoßes durch Konsum verantwortlich. So ging die Klimaauswirkung durch Heizung und Stromverbrauch im Haushalt gegenüber 2004 um zehn Prozent zurück, im Vergleich zu 2007 ist aber keine Verringerung zu verzeichnen.
Ein Grund: Noch immer verfeuern die meisten Heizungen in Wohngebäuden Erdöl oder Erdgas. Viele Anlagen verbrauchen zwar weniger fossilen Brennstoff, aber die beheizte Wohnfläche pro Kopf steigt. Außerdem hapert es an der Dämmung zahlreicher Gebäude. Durch poröse Wände heizt man die Straße. Dem müsse die Politik mit staatlichen Programm entgegenwirken, appelliert das UBA.
Wachstum hebt Fortschritt auf
Ein ähnlicher Widerspruch zeigt sich beim Stromverbrauch. Einerseits beziehen mehr Leute Windund Solarstrom. Der Anteil der Ökostromtarife am Verbrauch stieg bis 2015 auf 20 Prozent. Andererseits „verdreifachte sich der Stromverbrauch mobiler Computer zwischen 2008 und 2017“. Das Wachstum frisst den Umweltfortschritt teilweise wieder auf.
Ähnlich sieht es bei der individuellen Mobilität aus. Die meisten Fahrten werden mit benzingetriebenen Autos absolviert. „Der Anteil von öffentlichem Verkehr, Fuß- und Radverkehr lag 2014 bei 17 Prozent und damit nur unwesentlich höher als 2009“, schreiben die Autoren.
Während der Marktanteil neu zugelassener Elektro- und Hybridfahrzeuge bis 2017 auf gut drei Prozent wuchs, nahm jedoch auch die Fahrleistung zu, die die Bundesbürger durchschnittlich abwickeln. Mehr Kilometer pro Jahr machen den Nachhaltigkeitszugewinn zunichte. Das Carsharing, bei dem mehrere Leute Autos teilen, bildet nach wie vor einen Nischenmarkt. Unter dem Strich seien die durch Mobilität verursachten CO2-Emissionen pro Kopf seit 2003 „praktisch unverändert“.
Im Segment der Ernährung ergibt sich ein vergleichbarer Befund. BioLebensmittel haben Erfolg, ihr Marktanteil wächst, allerdings auf niedrigem Niveau. 2015 stammten 4,7 Prozent der hierzulande verkauften Lebensmittel aus ökologischer Herstellung. Einzelne, vergleichsweise nachhaltige Waren dominieren ihren Markt sogar. Beispielsweise tragen mittlerweile über 60 Prozent der Fischprodukte das MSC-Label für schonenenden Fang. Trotzdem ist der CO2-Ausstoß infolge der Ernährung pro Kopf von 1,1 in 2003 auf 1,2 Tonnen in 2014 gestiegen. Hier schlägt sich beispielsweise der hohe, teilweise wachsende Fleischkonsum der Bundesbürger nieder.
Bei einem Indikator allerdings ist Deutschland auf gutem Weg, sein Nachhaltigkeitsziel zu erreichen. 7,6 Prozent der verkauften Produkte trugen 2015 eines vier staatlichen ÖkoSiegel – Blauer Engel, EU-Energiekennzeichnung, EU-Eco- und EUBio-Label. Bis 2030 soll der Anteil auf ein Drittel wachsen. Wenn es im bisherigen Tempo weitergeht, dürfte das zu schaffen sein.