Vom Deich ins Radio
Die junge Kieler Band Leoniden erobert die Musikwelt
(dpa) - Ein Containerschiff gleitet vorbei am Leuchtturm. Am Deich schnüffelt ein Hund. Und am Strand von Kiel-Friedrichsort lassen sich Jakob Amr, Djamin Izadi, JP Neumann und die Brüder Felix und Lennart Eicke den Ostseewind um ihre Mützen wehen. Nur wenige Meter entfernt vom Deich liegt der Proberaum ihrer Band Leoniden. In einer alten Festungsanlage im Norden Kiels üben die fünf Indierock-Musiker, die als neuer Stern am deutschen Musikhimmel gelten. Gerade haben sie einen der wichtigsten Nachwuchspreise gewonnen: den „New Music Award“der jungen ARD-Radioprogramme. Mit der Auszeichnung haben Bands wie Kraftklub, OK Kid oder Bonaparte ihre Karrieren begonnen. Die Songs der Leoniden werden seither regelmäßig im Radio gespielt. Und auch sonst liegt ein sehr erfolgreiches Jahr hinter den fünf Mittzwanzigern, die Punk im Herzen und ramponierte Sneakers an den Füßen tragen.
„Es ist ein tolles Gefühl, zu sehen, was wir in diesem Jahr alles erreicht haben“, sagt Sänger Jakob Amr. Begonnen hat das Musikjahr 2017 für die Leoniden mit der Veröffentlichung ihres Debütalbums. Die Platte „Leoniden“ist ein 36-minütiges Statement zur Lage des Indie-Pop in Deutschland: verspielt und zupackend, mit eingängigen Melodien und zackigen Gitarrenriffs.
Schülerband machte den Anfang
Ihre Musik erinnert an die kraftvollen Elektro-Spielereien früher FoalsAlben und den watteweichen Popsound von Phoenix. An ihrem Debüt haben die Musiker anderthalb Jahre lang gefeilt. „Und eher acht als vier Stunden täglich an den Songs geschrieben“, sagt Gitarrist Lennart Eicke. Basisdemokratisch sei die Arbeitsweise der Musiker, die im Alter von 12 Jahren als Schülerband begonnen haben.
Bis aus dem Hobby mehr wurde: „Wir haben uns gefragt, ob wir entweder mit der Musik aufhören oder es richtig anpacken wollen“, so Eicke. Dann haben es alle richtig angepackt. Mit Jakob Amr haben die vier Kieler Freunde einen Sänger gefunden, dem gleich klar war: Das passt – musikalisch und auch menschlich. Gemeinsam nehmen sie getreu der Do-it-yourself-Bewegung am liebsten alles selbst in die Hand: So haben die Kieler Musiker ihr eigenes Label gegründet, beantworten jeden Facebook-Kommentar der mittlerweile knapp 10 000 Fans persönlich und bringen über den Onlineshop verkaufte Platten mit individuellem Gruß zur Post.
Früher haben sie um jedes Konzert, um jeden Auftritt gekämpft. Heute stehen im Kalender der Leoniden 90 Konzerte in zwölf Monaten, darunter zwei eigene Touren, eine Interviewreise, ein Fernsehauftritt in der Pro-Sieben-Show „Circus Halligalli“und ein reger Festivalsommer. „Wir sind ohne einen Masterplan in das Jahr gestartet, das all unsere Erwartungen übertroffen hat“, sagt Gitarrist Eicke. „Manche Bühnen, auf denen wir standen, waren dreimal so groß wie meine Wohnung!“Im Sommer gab es Tage, an denen die Leoniden morgens in Südbayern auftraten, mittags in Braunschweig und abends in Rostock. Geübt haben die Musiker dafür mitunter weniger den perfekten Auftritt, sondern vielmehr das ideale Timing und den schnellen Auf- und Abbau des Equipments. Bei all dem Trubel sehen sie den Hype um ihre Band gelassen. „Es ist cool, dass den Leuten unsere Musik gefällt“, sagt Gitarrist Lennart Eicke. Aber dass die fünf Freunde nun zu Kunstfiguren avancieren, sei unwahrscheinlich.
Neues Album ist in Planung
Und ihre Wünsche fürs nächste Jahr? Ein neues Album soll folgen. Außerdem würden die Kieler gern im Ausland auftreten. Bei dem „Eurosonic Noorderslag Festival“im niederländischen Groningen – einem bedeutenden Forum für Newcomer – geht dieser Traum schon im Januar in Erfüllung. Auch die Jury des „New Music Awards“bescheinigt der Band gute Aussichten: Wegen ihrer spielerischen Qualitäten und der mitreißenden Liveshow bei der Preisverleihung „steht den Leoniden noch eine großartige Zukunft bevor“, sagt Andy Barsekow. Er leitet die Bandförderung beim Bayerischen Rundfunk und ist langjähriges Jurymitglied des Nachwuchspreises. Bei Leoniden ist er sich sicher: „Das Potenzial ist da, aber natürlich gehört auch immer eine dicke Portion Glück dazu.“Und Glück bringen die Sternschnuppen ja bekanntlich.