Katalanen wählen neues Parlament
Separatisten könnten Mehrheit verlieren – Einige Kandidaten sitzen in Untersuchungshaft
BARCELONA (dpa) - Heute steht die vorgezogene Parlamentswahl in der Konfliktregion Katalonien an. Der Urnengang werde „für ganz Spanien und auch für Europa von entscheidender Bedeutung“sein, sagte Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy. Nach der Krise gehe es darum, „die demokratische Normalität wiederherzustellen“. Alle Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den separatistischen und den sogenannten verfassungstreuen Parteien voraus.
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MADRID - Die heutige Wahl in der spanischen Region Katalonien ist in jeder Hinsicht eine ungewöhnliche Abstimmung: Einige Kandidaten sitzen in Untersuchungshaft. Wie zum Beispiel Oriol Junqueras, Spitzenmann der mächtigsten Unabhängigkeitspartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke). Andere wie der entmachtete separatistische Ex-Ministerpräsident Carles Puigdemont haben sich nach Belgien abgesetzt, weil sie in Spanien wegen Rebellion mit Haftbefehl gesucht werden. Puigdemont führt die Unabhängigkeitsliste Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien) an und besteht darauf, wieder in sein Amt zurückzukehren. „Ich bin der rechtmäßige Regierungschef Kataloniens“, behauptet er.
Auch der Wahltag kurz vor Weihnachten ist außergewöhnlich: Ein Donnerstag und kein Sonntag wie normalerweise. Nachdem Madrid die Separatismusregierung Puigdemonts Ende Oktober wegen fortgesetzten Ungehorsams abgesetzt hatte, soll so schnell wie möglich eine neue Führung ins Amt kommen.
Region ist tief gespalten
Es ist eine Schicksalswahl, bei der es um mehr geht als nur um eine neue Regierung: Katalonien, wo 7,5 Millionen Menschen leben, ist tief gespalten. Auf der einen Seite stehen die Unabhängigkeitsbefürworter, die bisher regierten und versucht hatten, die Region ohne Erlaubnis Madrids von Spanien abzuspalten. Auf der anderen Seite formiert sich das prospanische Lager, das gegen die Unabhängigkeit ist und für die Einheit des spanischen Königreichs eintritt.
Erstmals seit Jahrzehnten hat eine Spanien-freundliche Partei die Chance, die meisten Stimmen zu erringen. Die Umfragen der vier wichtigsten spanischen Zeitungen sehen übereinstimmend die liberale und prospanische Partei Ciudadanos (Bürger) in der Wählergunst vorn – wenn auch knapp. An zweiter Stelle der Stimmungsbarometer folgt die Separatistenpartei Esquerra. Die Erhebungen prognostizieren der Unabhängigkeitsbewegung, dass sie ihr großes Wahlziel, mehr als die Hälfte aller Stimmen zu bekommen, nicht erreichen wird. Und dass sie ihre bisherige absolute Mehrheit der Abgeordneten im Parlament verlieren könnte. Das wäre eine empfindliche Niederlage: Die Separatisten haben den Wahlgang zu einem indirekten Referendum über die Abspaltung Kataloniens erklärt.
Eine Regierungsbildung dürfte schwierig werden. Die Wählerbarometer signalisieren ein Kopf-an-KopfRennen der beiden politischen Lager. In den letzten Umfragen kommt der Separatistenblock, zu dem die Wahllisten Esquerra, Junts und die linksradikale kleine CUP gehören, auf 44 bis 45 Prozent. 2015 hatten die Separatisten 47,8 Prozent errungen. Dem prospanischen Lager werden 44 bis 46 Prozent zugetraut (2015: 39 Prozent).
Eine andere Frage ist, ob sich dieser Stimmungswandel auch im Parlament in Barcelona, wo die absolute Mehrheit bei 68 der 135 Sitze liegt, niederschlagen wird. Durch das Wahlrecht wird das dünn besiedelte katalanische Hinterland, wo die Separatisten stark sind, bei der Sitzverteilung begünstigt. Sie könnten somit sogar eine Mehrheit der Mandate erringen, ohne eine Mehrheit der Wähler hinter sich zu haben. Dies war ihnen auch 2015 gelungen. Damals hatte die Unabhängigkeitsfront mit knapp 48 Prozent der Stimmen 72 der 135 Sitze errungen – also die absolute Mehrheit.