Streit um EU-Flüchtlingsquote
Innenminister de Maizière (CDU) legt Diskussion auf Eis
SOFIA (dpa) - Ohne eine faire Verteilung von Flüchtlingen geht nichts: Das war bislang der Kurs der Bundesregierung in den Verhandlungen über eine Reform des europäischen Asyl- und Flüchtlingssystems. Jetzt erklärt sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei einem EU-Treffen in der bulgarischen Hauptstadt Sofia bereit, die Diskussion über Quoten erst einmal auf Eis zu legen:
Was veranlasst de Maizière zu den Äußerungen?
Der deutsche Innenminister hat gemerkt, dass der Streit über Flüchtlingsquoten Fortschritte in den Verhandlungen über die zukünftige europäische Asylpolitik nahezu unmöglich macht. Etliche mitteleuropäische Staaten lehnen jegliche Art von Zwang bei der Aufnahme von Flüchtlingen kategorisch ab. De Maizière will deswegen jetzt erst einmal eine Einigung über andere Themen erzielen. Die geplante Reform soll nicht nur die Länder an den EU-Außengrenzen entlasten, sondern auch solche wie Deutschland. Die Bundesrepublik würde zum Beispiel davon profitieren, wenn Asylbewerber künftig in allen EU-Staaten wirklich gleich behandelt würden.
●
Nein. De Maizière machte am Donnerstag deutlich, dass aufgeschoben nicht aufgehoben heißt. „In der Substanz brauchen wir (…) selbstverständlich eine faire Verteilung als Teil eines gemeinsamen europäischen Asylsystems“, sagte er.
Wie könnten Quoten-Gegner am Ende doch noch zum Einlenken gebracht werden? Sind Quoten damit vom Tisch?
De Maizière setzt zum Beispiel auf Fortschritte beim Außengrenzschutz. „Je geringer die Zahl von illegalen Migranten ist, die nach Europa kommen, umso weniger relevant ist das Problem der Verteilung von Schutzbedürftigen und umso leichter erreicht man sicherlich eine Einigung zur Verteilung“, sagt der CDUPolitiker. Ein mögliches Druckmittel sind zudem die anstehenden Verhandlungen über die EU-Finanzplanung für die Jahre 2021 bis 2027. Länder wie Polen und Ungarn sind auf EU-Gelder angewiesen, die letztlich zu einem großen Teil von Deutschland gezahlt werden.
Ist eine Reform des Asylsystems ohne Quoten denkbar?
De Maizière ließ diese Frage am Donnerstag offen. Nach derzeitigem Zeitplan sollen die politischen Verhandlungen der EU-Staaten bis zum Sommer abgeschlossen werden. Wenn es nicht zuvor eine Einigung gibt, könnte das Thema auf die Tagesordnung des Gipfels der Staatsund Regierungschefs am 28. und 29. Juni kommen.
Muss Deutschland mit einer vermehrten Zuwanderung von Flüchtlingen rechnen, wenn es keine Quoten gibt?
Vermutlich nicht. Die Zahl der Menschen, die nach Europa durchkommen, ist zuletzt erheblich zurückgegangen – vor allem dank der Zusammenarbeit mit Transitländern wie der Türkei und Libyen.
Hat die Diskussion das Potenzial, für Ärger bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD zu sorgen?
Das ist unwahrscheinlich. Im Sondierungspapier haben sich die Partner auf eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik geeinigt – die „solidarische Verantwortungsteilung in der EU“ist ein Punkt davon.