Bio-Umsatz steigt auf mehr als zehn Milliarden Euro
Naturkostläden und Discounter kämpfen um ihre Kunden
NÜRNBERG (dpa) - In Deutschland ist ein Ende des Bio-Booms nicht absehbar. Nach einem Umsatzplus 2017 rechnen Experten auch für 2018 mit einem Wachstum bei ökologisch erzeugten Lebensmitteln. Im vergangenen Jahr habe der Bio-Umsatz mit einem Anstieg von 5,9 Prozent erstmals zehn Milliarden Euro überschritten, sagte der Chef des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft, Felix Prinz zu Löwenstein, zum Auftakt der Messe Biofach. Auch die Ausweitung der Öko-Anbaufläche halte mit der steigenden Nachfrage nach Bioprodukten Schritt. So sei der Umfang der ökologisch bewirtschafteten Äcker und Weiden im Vorjahr um zehn Prozent auf 1,375 Millionen Hektar gestiegen.
●
NÜRNBERG - Fragt man Marktforscher oder Vertriebsexperten ist Bio der erfolgreichste Trend der vergangenen Jahre. Bei Verbrauchern – und für Händler und Landwirte. Laut dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) wurden 2017 erstmals rund zehn Milliarden Euro mit Biowaren umgesetzt, etwa 5,9 Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr. Es ist vor allem der Lebensmitteleinzelhandel, der die Bioumsätze nach oben treibt. Ihr Anteil liegt derzeit bei rund 59 Prozent.
Felix Prinz zu Löwenstein freut sich über die erneuten Zuwächse und kann sich nicht beklagen. „Der Handel sucht händeringend nach einheimischer Ware“, sagt er. Sein Ziel: Biolebensmittel, die wir hier anbauen können, sollten auch hier wachsen. „Denn jeder Hektar bio mehr hierzulande ist ein Hektar mehr für Biodiversität.“Gegen den Boom hat der BÖLW-Vorsitzende grundsätzlich nichts. Ganz im Gegenteil. Doch auch er weiß, dass die hohe Nachfrage Probleme mit sich bringt.
Zu Löwenstein nennt diese Probleme „Herausforderungen“. „Es kommen immer wieder Player dazu, die nicht das Grundanliegen haben, die gesamte Ernährung und die Landwirtschaft zu verändern.“Damit meint er auch Supermärkte oder Discounter, die sich weitere Zielgruppen und gute Umsätze über ihr Bioangebot versprechen.
So haben etwa die Discounter Lidl, Aldi oder Norma ihr Angebot an Biolebensmitteln in den vergangenen Monaten deutlich erweitert. Rewe beispielsweise hat mehr als 2500 Ökoartikel gelistet. Dem Lebensmitteleinzelhändler zufolge soll das Sortiment ausgeweitet werden – auch mit eigenen Marken.
Viele Biopioniere kämpfen derweil um ihre Existenz. Elke Röder, Geschäftsführerin des Bundesverbands Naturkost Naturwaren (BNN), spricht von einem strukturellen Nachteil der Erreichbarkeit von Naturkostläden. Rund 2500 dieser Läden gibt es bundesweit. Dem stehen rund 40 000 Verkaufsstellen des Lebensmitteleinzelhandels gegenüber. Im Zweifelsfall müsse man einen zusätzlichen Weg zum Bioladen einplanen, sagt Röder. Aus ihrer Sicht wird sich der Bioboom aber auch in Zukunft fortsetzen.
Das heißt für sie, dass sich die Rahmenbedingungen für Landwirte hierzulande dringend verbessern müssen. So sollten sie beispielsweise Unterstützung bekommen, um auf nachhaltiges Arbeiten umstellen zu können. „Zu den Wünschen der Kunden gehört auch die sinnvolle Verbindung von bio und regional“, sagt Röder. Dafür müssten Strukturen geschaffen werden, um der großen Nachfrage nachkommen zu können.
Hilfe für Produzenten
Das wird Folgen haben. „Der Wettbewerb im Handel wird sich verschärfen“, vermutet Gerald Wehde von Bioland. Dem Verband für ökologischen Landbau gehören mehr als 7300 Landwirte, Gärtner, Imker oder Winzer an. Hinzu kommen rund 1000 Vertreter von Bäckereien, Molkereien, Metzgereien oder aus der Gastronomie. Discounter, Biosupermärkte und der klassische Naturkostfachhandel konkurrieren scharf um ihre Kundschaft. „Gewinnen werden die, die die Verbraucher von ihrem Angebot überzeugen“, sagt Wehde.
Das gehe nur, wenn die Regierung mehr für den Ökolandbau tue. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, bis 2030 den Ökolandbau von rund acht auf 20 Prozent auszuweiten. Derzeit produziert etwa jeder zehnte Hof in Deutschland nach Biokriterien. Das wird laut Experten nicht reichen, um die Quote zu erfüllen. Daher muss die Politik helfen: Zum Beispiel durch Forschungsförderung, über Beratungsund Ausbildungsangebote für Bauern – oder auch über mehr Bioangebote in öffentlichen Kantinen. Experten zufolge gibt es dafür bereits Vorbilder in Europa. Zum Beispiel in Frankreich, in der Schweiz, in Österreich oder in Dänemark.