Ankara warnt Assad vor Hilfe für Kurden
Syrische „Volkskräfte“sollen in Afrin den Widerstand gegen die türkische Armee stärken
ANKARA (güs) - Die Türkei hat Syriens Machthaber Baschar al-Assad gewarnt, den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in der nordsyrischen Region Afrin zu Hilfe zu kommen. Ankara versuchte am Montag, das zuvor angekündigte Eingreifen der Syrer zu verhindern: Präsident Recep Tayyip Erdogan telefonierte mit den Präsidenten Russlands und Irans, Wladimir Putin und Hassan Ruhani, den wichtigsten Verbündeten Assads, und drohte mit „Konsequenzen“.
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LIMASSOL/AFRIN●
- Eine Meldung der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana hat im Nahen Osten für zusätzliche Unruhe gesorgt. „Volkskräfte“würden binnen weniger Stunden im nordsyrischen Afrin eintreffen, um den „Widerstand des Volkes gegen den Angriff des türkischen Regimes zu unterstützen“, heißt es in der am Sonntagabend in Damaskus verbreiteten Depesche. Zuvor sollen Funktionäre der kurdischen Volksverteidigungsmilzen (YPG) und Vertreter der Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad eine Vereinbarung getroffen haben. Demnach soll die syrische Armee in Afrin den vor drei Wochen gestarteten Großangriff der türkischen Armee, die „Operation Olivenzweig“, abwehren. Die Türkei geht damit gegen die Kurdenmilizen im Norden Syriens vor.
Nur zwölf Stunden später dementierten Sprecher beider Parteien die Absichtserklärungen aus Damaskus und Afrin wieder. Unbestritten sind dagegen Meldungen, nach denen mit dem Bau von provisorischen Truppenunterkünften in Afrin begonnen wurde. Diese könnten von Mitgliedern der „Nationalen Verteidigungskräfte“(NDF) bezogen werden. Die Assad-treuen Milizen wurden am Montag an den Grenzen zur Region Afrin stationiert, wo sie angeblich auf weitere Befehle warten.
Liest man die Sana-Depesche aufmerksam, dann fällt auf, dass Kurden darin nicht erwähnt werden, wohl aber „das Volk“. Nach Damaszener Lesart handelt es sich dabei in erster Linie um Syrer und dann erst um Kurden. Mit anderen Worten: Ziel einer Intervention der Regierung in Afrin wäre keinesfalls die Verteidigung der von der YPG errichteten Autonomie, sondern die Kontrolle von syrischem Territorium durch die Regierung, mit dem die syrischen Kurden in den letzten Jahren eine Reihe von Stillhalteabkommen schließen konnten.
Türkei warnt Syrien
Dennoch ist das Misstrauen auf beiden Seiten gewaltig. Was die Kurden und die Assad-Regierung verbindet, ist Skepsis und Wut auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der neben einem Umsturz in Damaskus möglichst viele YPG-Milizionäre „neutralisieren“will, wie es in der Amtssprache des türkischen Militärs heißt. Es wäre daher durchaus im Interesse von Damaskus und der syrischen Kurden, eine zeitlich begrenzte Militärallianz zu schmieden. Auch in der „Befreiungsschlacht“von Aleppo kämpften die YPG und die Assad-Armee gemeinsam gegen islamistische Gruppen.
Die Türkei jedenfalls vermutet eine solche Allianz von YPG und der syrischen Regierung. Bei einem Besuch in der jordanischen Hauptstadt Amman drohte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Montag unverhohlen mit Angriffen auf die syrische Armee, falls sie in der Region Afrin der kurdischen YPG zur Hilfe kommen würde. „Niemand und nichts“könne dann die türkischen Soldaten stoppen, warnte der Minister. Sollte die Assad-Armee jedoch nach Afrin kommen, um die YPG oder die PKK von dort zu vertreiben, sei dies „kein Problem“, fügte Cavosoglu einschränkend hinzu. Ob die türkische Armee in einem solchen hypothetischen Fall aus Syrien abziehen und den Assad-Truppen die Grenzsicherung überlassen würde, sagte der türkische Außenminister nicht. Beobachter halten es für möglich, dass über das weitere Vorgehen der Kampfparteien am Ende in Moskau und Washington entschieden wird. Ohne das Einverständnis Russlands, einem Verbündeten der syrischen Regierung, dürfte Assad wohl kaum in Afrin einrücken.
Der türkische Staatspräsident Erdogan hat dagegen deutlich gemacht, dass er in Syrien eigene Wege gehen will und Weisungen der Supermächte notfalls auch ignoriert. Bleibt er dabei, stünden die Türkei und Russland in Nordsyrien nun auf entgegengesetzten Seiten. Am Montag haben Erdogan und Russlands Präsident Wladimir Putin daher über die militärische Lage im Norden Syriens beraten. In dem Telefonat sei es um die „jüngsten Entwicklungen“in Afrin und Idlib gegangen, teilte das Präsidialamt in Ankara mit. Demnach informierte Erdogan den Kremlchef über den Stand der „Operation Olivenzweig“. Zudem vereinbarten sie, die Kooperation fortzusetzen.