Edeka contra Nestlé
Lebensmittelhändler nimmt Produkte aus dem Regal
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FRANKFURT - Edeka hat seine Einzelhändler aufgefordert, Produkte von Nestlé nicht mehr zu bestellen. Damit könnten Kunden demnächst vergeblich nach Nescafé, Maggi-Suppen, Fertigpizzen von Wagner oder Thomy-Mayonnaisen suchen. Edeka und andere europäische Einzelhändler wollen so offenbar in Preisverhandlungen Druck aufbauen. Denn die Konkurrenz im Lebensmittel-Einzelhandel ist hart.
Offiziell ist es in Deutschland noch nicht. Dafür nehmen die sonst eher diplomatischen Schweizer in diesem Fall kein Blatt vor den Mund: „Wir haben einen Bestellstopp auf über 150 Artikel veranlasst“, bestätigte die Schweizer Coop. Für Artikel, die der Schweizer Nestlé-Konzern verkauft. Der Bestellstopp gelte seit vergangener Woche für alle gekühlten ThomySalatsaucen. In dieser Woche folgen bei Coop bestimmte Produkte der Marken Nescafé, Buitoni oder Cailler. „Wir verlangen faire Einkaufspreise zu partnerschaftlichen Konditionen“, hieß es in einer Stellungnahme.
Daran dürfte auch Edeka ein Interesse haben. Die Einkaufsgemeinschaft hat den Einzelhändlern eine Liste geschickt, auf der 163 NestléProdukte stehen. Sie sollen in den kommenden Tagen nach und nach aus den Läden verschwinden – die Edeka-Händler sollen sie einfach nicht mehr nachbestellen. In der Edeka-Zentrale in Hamburg hält man sich noch bedeckt: Zu dem Bericht wolle man offiziell nicht Stellung nehmen.
Hinter vorgehaltener Hand heißt es aber, dass ein solches Vorgehen realistisch ist, wenn Einzelhändler und große Markenkonzerne wie Nestlé ihre Preise aushandeln. Im Rahmen der regelmäßig anstehenden Preisverhandlungen sind solche vorübergehenden „Auslistungen“von Produkten keine Seltenheit. So fanden sich bei der Supermarktkette Real vor drei Jahren zeitweise keine Produkte mehr von Dr. Oetker, Nestlé oder Müller Milch. Ein Jahr zuvor suchten Kunden bei Lidl zwei Monate lang vergeblich Coca-Cola-Flaschen.
Der Vorstoß von Edeka und der schweizerischen Coop findet in einer größeren Gemeinschaft statt. Beide sind nämlich Mitglied im europäischen Einkaufsverbund Agecore. Und der ist es, der nun Front gegen Nestlé macht. Diesem europäischen Einkaufsverband gehört auch die französische Intermarché-Gruppe an. Ein solcher Zusammenschluss bringt also selbst gegenüber einem Giganten wie Nestlé einiges Gewicht auf die Waage.
Bessere Konditionen
Der Boykott könnte auf ein Ungleichgewicht abzielen, das Beobachter der Branche im Hintergrund vermuten: So habe der konkurrierende Einkaufsverbund Cooperic, dem die Lebensmittelkette Rewe angehört, schon seit Längerem bessere Konditionen mit Nestlé ausgehandelt. Deswegen will das Edeka-Bündnis dem nicht länger nachstehen. Der Einzelhandelsspezialist von der Wirtschaftshochschule WHU, Martin Fassnacht, hält ein solches Vorgehen für realistisch: „Der Handel in Deutschland ist hart umkämpft. Die vier Großen, Edeka, Lidl, Aldi und Rewe, haben einen Marktanteil von rund 85 Prozent. Wenn der eine bessere Preise bekommt als ein anderer, würde mich ein solches Vorgehen nicht wundern.“
Neben der harten Konkurrenz, die sich die vier Großeinzelhandelsketten gegenseitig liefern, macht ihnen auch der Internethandel zu schaffen, dort zittert die Branche unter anderem vor dem Handelsriesen Amazon. Der hat 2017 in den USA die Bio-Supermarktkette Whole Foods aufgekauft. Damit erweitert Amazon sein Online-Geschäft mit stationären Filialen – und stößt so in den Lebensmittelhandel vor.
Für Nestlé kommt der Boykott zur Unzeit. Denn dem Konzern machen Umbaukosten und eine schwächere Nachfrage schwer zu schaffen. Das hat die Bilanz gezeigt, die das Unternehmen in der vergangenen Woche vorgelegt hat. Der Gewinn ging um fast 16 Prozent zurück, die Umsätze haben auf dem Niveau des Vorjahres stagniert. Am wenigsten kann es Nestlé also gebrauchen, die Preise gegenüber einer Einkaufsinitiative wie Agecore in Zukunft zu senken. Wahrscheinlich wird der Konzern angesichts des konzertierten Boykotts dieser Großkunden in wichtigen Ländern Europas aber nicht umhin kommen, das zu tun.
Verbraucher könnten letztlich profitieren. Sollten Edeka und Co. bessere Preise bei Nestlé durchsetzen, könnten die in der harten Konkurrenz in Deutschland schließlich auch bei den Kunden ankommen.