Simulierter Arbeitsalltag
Assessment-Center schienen kurz aus der Mode – Jetzt gibt es sie wieder, leicht verändert und unter neuen Namen
D● ie letzte Klausur ist geschrieben, die Abschlussarbeit fertig. Doch auf viele Berufseinsteiger wartet jetzt noch eine große Prüfung – und wenn es um den Traumjob geht, vielleicht sogar die wichtigste. Das Assessment-Center: berühmt-berüchtigte Auswahltage voller Tests, mit denen Unternehmen nach den besten Nachwuchskräften suchen.
Vor ein paar Jahren war der Begriff noch in aller Munde, inzwischen ist es still geworden um ihn. Das liegt aber nicht daran, dass es die Assessment-Center nicht mehr gibt – im Gegenteil. Nach einem kurzzeitigen Rückgang ist ihre Zahl sogar wieder gestiegen, sagt Katharina Hain, die bei der Personalberatung Hays die Abteilung Rekrutierungsmanagement leitet.
Vor allem Positionen für Hochschulabsolventen, in Trainee-Programmen zum Beispiel, und für Führungskräfte besetzen Arbeitgeber auf diesem Weg. „Grundsätzlich sind Assessment-Center meist für Positionen geeignet wie im Vertrieb, im Verkauf oder in der Beratung – also überall da, wo Social Skills wichtiger sind als Hard Skills“, sagt Hain. Und meist sind die Veranstalter eher große Unternehmen, allen voran die Dax-Konzerne.
Auswahltag oder Meet & Greet
Von Assessment-Center spricht dabei heute allerdings kaum noch ein Arbeitgeber. Stattdessen heißen die Veranstaltungen zum Beispiel Auswahltag, Bewerberworkshop oder Meet & Greet. Hinter dem schicken neuen Namen steckt allerdings die gleiche Veranstaltung wie vorher. „Unabhängig vom Namen ist die Methodik immer die gleiche“, sagt Coach und Ratgeber-Autor Johannes Stärk. „Also Situationen aus dem Arbeitsalltag zu simulieren, Druck zu erzeugen und den Bewerber dann darin zu beobachten.“
Der genaue Ablauf ist zwar immer anders. Bestimmte Situationen und Übungen tauchen aber eigentlich in jedem Assessment-Center auf, sagt Stärk. Das zeigt auch eine Studie von Obermann Consulting, erstellt im Auftrag des Arbeitskreises Assessment-Center. Eine Präsentation, ein simuliertes Zweiergespräch und ein Interview kommen demnach jeweils in mehr als 80 Prozent der Auswahlverfahren zum Einsatz. „Wenn Sie auf diese drei in irgendeiner Form eingestellt sind, sind Sie für das Assessment-Center eigentlich schon gut gerüstet“, sagt Stärk. Doch was verbirgt sich dahinter? Vielleicht die einfachste Variante ist noch die Präsentation, aus dem Studium schon zur Genüge bekannt – im Assessment-Center nur meist mit mehr Zeitdruck und eventuell ein paar kniffligen Nachfragen.
Was beim Zweiergespräch genau passiert, hängt vom Job ab: Angehende Führungskräfte müssen vielleicht ein Mitarbeitergespräch simulieren, Vertriebler etwas verkaufen. „Im Idealfall sind die simulierten Situationen tatsächlich der Arbeitsalltag“, sagt Stärk. „Sie geben dann wirklich eine Art Arbeitsprobe ab.“Und das Interview ist im Grunde nichts weiter als ein reguläres Vorstellungsgespräch, nur mit einem strukturierten Fragebogen. So sind die Antworten mehrerer Bewerber für den Arbeitgeber besser vergleichbar, erklärt Stärk.
Strategische Lösung entwickeln
Dazu kommen je nach Unternehmen und Job weitere Aufgaben. Recht populär ist nach Angaben von Obermann Consulting zum Beispiel die Fallstudie: Hier müssen Bewerber aus einer Vielzahl von Materialien die wesentlichen Informationen zusammensuchen und dann eine strategische Lösung für ein Problem entwickeln.
Andere Aufgaben haben an Beliebtheit verloren: Die Gruppendiskussion etwa, die 2008 noch in fast 80 Prozent aller Assessment-Center zu finden war, kommt heute nur in 40 Prozent der Fälle zum Einsatz. Ähnlich verbreitet ist die PostkorbAufgabe, in der Bewerber unter Beweis stellen müssen, wie gut sie eingehende Nachrichten und Termine delegieren oder sortieren können. Beispiele für viele dieser Aufgaben gibt es im Internet. Und wer es ganz genau wissen will, kann sich auch für Vorbereitungskurse anmelden. Teuer müssen die nicht sein: 2014 fand die Stiftung Warentest heraus, dass eintägige und eher günstige Angebote von Volkshochschulen mit den kosten- und oft zeitintensiven Trainings privater Anbieter durchaus mithalten können.
Dazu hilft es, mit offenen Augen und Ohren durch die Welt zu laufen: „Bei Fallstudien oder Gruppendiskussionen geht es oft um aktuelle Themen“, sagt Katharina Hain. „Hier kann es sich also lohnen, vorher mal die Nachrichten zu verfolgen. Und generell sollte ich auch wissen, was die Branche umtreibt.“Wer also zum Auswahltag bei einem großen Autobauer erscheint, ohne grob über den Abgasskandal Bescheid zu wissen, macht vermutlich etwas falsch. Ansonsten macht Übung auch bei Auswahlverfahren den Meister. „Ich glaube, dass man im zweiten oder dritten Assessment-Center oft besser ist, genau wie im zweiten oder dritten Bewerbungsgespräch“, sagt Hain. Das müsse aber nicht immer so sein: Wer beim ersten AssessmentCenter versagt, ist beim zweiten vielleicht erst richtig nervös.
Rückschläge meistern
Der bewusste Umgang mit solchen Rückschlägen gehört aber ohnehin dazu, sagt Stärk. Denn auch das sagt dem potenziellen Arbeitgeber etwas über die Persönlichkeit. „Dass bei so einem Assessment-Center nicht alles glatt läuft, ist normal“, so der Experte. „Da ist es dann wichtig, dass ich es weiter durchziehe. Mittendrin auszusteigen, ist eigentlich das Schlechteste, was ich machen kann.“
Vor unmenschlichem Druck im Auswahlverfahren müssen sich Bewerber heute ohnehin nicht mehr fürchten – anders als früher vielleicht. Zeitdruck herrscht zwar immer noch, sagt Stärk, auch Stress-Interviews oder provozierende Fragen gibt es. „Die meisten Unternehmen verzichten darauf aber zunehmend. Auch für das Unternehmen geht es ja darum, wie man sich präsentiert.“Das sollten Teilnehmer an Auswahlverfahren ohnehin immer bedenken, rät Hain. Nicht nur ein Arbeitgeber sieht hier, wer zu ihm passt – auch der Bewerber kann sich einen eigenen Eindruck von der Unternehmenskultur verschaffen. Wie ist der Umgangston? Wie sind die Mitarbeiter so? „Denn das sind ja oft die zukünftigen Kollegen.“(dpa)