May geht auf EU zu
Premierministerin bei Brexit zu Kompromissen bereit
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LONDON - Großbritannien rückt vom harten Brexit ab. Nachdem Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn zu Wochenbeginn den Verbleib in einer Zollunion mit der EU gefordert hatte, beteuerte am Freitag Premierministerin Theresa May ihre Kompromissbereitschaft. Um die Handelsbeziehungen so reibungslos wie möglich zu gestalten, wolle die Insel sich auch zukünftig dem Regelwerk wichtiger europäischer Agenturen, etwa bei Arzneimitteln und Luftfahrt, unterwerfen. Ein umfassendes Freihandelsabkommen „ist im Interesse beider Seiten“, sagte die Konservative in London.
Mays Rede gehört in einen Reigen von Ansprachen führender Regierungsmitglieder, von Brexit-Einpeitschern wie Außenminister Boris Johnson bis zu Brexit-Skeptikern wie Finanzminister Philip Hammond. London will damit den dringlichen Bitten aus Brüssel und anderen Hauptstädten des Kontinents nachkommen und die britische Vorstellung des zukünftigen Verhältnisses zur EU skizzieren. Nur dann, heißt es in Brüssel, sei eine erfolgreiche Vereinbarung über die von London gewünschte, knapp zweijährige Übergangsphase bis Ende 2020 möglich, in der Grossbritannien praktisch EUMitglied bleibt, ohne aber am Konferenztisch zu sitzen.
„Bindende Vereinbarungen“
In ihrer 43-minütigen Ansprache wiederholte May frühere Äußerungen, wonach die Insel „die Kontrolle über unsere Grenzen, unser Geld und unsere Gesetze“zurückerlangen wolle. Anders als früher beschuldigte sie aber Gegner ihrer Auffassung nicht mehr als „Bürger von Nirgendwo“oder Saboteure der Referendumsentscheidung.
May sprach von „bindenden Vereinbarungen“über den zukünftigen Marktzugang, Staatshilfen und Wettbewerbsregeln. Dies war Londoner Presseberichten zufolge noch am Donnerstag im Kabinett umstritten: Führende Brexiteers hatten sich angeblich gegen diese Formulierung ausgesprochen. Womöglich konnte EU-Ratspräsident Donald Tusk bei seinem London-Besuch am gleichen Tag May davon überzeugen, dass die EU von Grossbritannien eben jene bindenden Zusagen erwartet.
Irische Grenze bleibt ein Problem
Zwischen Nordirland und der Republik im Süden dürfe es auch zukünftig keine „harte Grenze“mit Zollund Passkontrollen geben, beteuerte die Regierungschefin. Ausdrücklich erkannte May an, dass der EU-Austritt ihrem Land die Hauptlast bei der Lösungssuche auferlege. Allerdings müssten auch Dublin und Brüssel dazu beitragen.
Besonders die Situation auf der irischen Insel hatte zuletzt die britische Brexit-Debatte dominiert. Zwei von Mays Vorgängern, Tory-Premier John Major und Labour-Premier Tony Blair, waren scharf mit EU-Hassern wie dem Konservativen Jacob Rees-Mogg ins Gericht gegangen, die das irische Problem für wenig bedeutend erklärt hatten. Blair kritisierte zusätzlich seine eigene Partei. Wäre er Oppositionsführer, sagte der 64-Jährige, „würde ich die Torys täglich wegen ihres Brexit-Schlamassels unter Druck setzen“– anders als der derzeitige Labour-Chef Jeremy Corbyn, 68, der dem Thema am liebsten aus dem Weg geht. Dass der tatsächliche Oppositionsführer aber zu Wochenbeginn den Verbleib seines Landes in einer Zollunion mit der EU forderte, hat die Brexit-Debatte entscheidend verändert.