Ehemaliger Truppenarzt belästigte auch ein Kind
Mediziner steht vor Gericht, weil er eine Patientin am Bundeswehrkrankenhaus sexuell missbraucht haben soll - Jetzt kommt eine Vorstrafe ans Licht
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ULM - Es geht um die berufliche Existenz eines 41-jährigen Mediziners. Der Vater von drei minderjährigen Kindern steht als Angeklagter vor dem Ulmer Schöffengericht. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, dann erwartet den Mann eine nicht unerhebliche Freiheitsstrafe. Außerdem könnte er seine Zulassung als derzeit frei praktizierender Allgemeinmediziner verlieren. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den Angeklagten, er habe in seiner Zeit als Truppenarzt am Bundeswehrkrankenhaus (BWK) eine psychisch kranke Patientin mehrfach sexuell missbraucht. Die Frau soll nicht widerstandsfähig gewesen sein.
Im Januar hatte das Verfahren gegen ihn begonnen. Gleich zu Beginn bestritt der ehemalige Oberstabsarzt die Tatvorwürfe heftig. Vielmehr habe er mit der Frau, die damals Soldatin war, eine kurze und einvernehmliche Affäre gehabt, um gemeinsame sexuelle Phantasien auszuleben. Das sei mit seiner geliebten Ehefrau nicht möglich gewesen. „Ich dachte ich hätte da ein lang gesuchtes Gegenstück zu mir gefunden“, sagte er damals.
Die Soldatin hatte sich im BWK, wo sie auch arbeitete, wegen psychischer Belastungen behandeln lassen. Die 36-Jährige erzählte bei ihrem Auftritt im Zeugenstand offenbar eine ganz andere Geschichte. Bei ihrer Aussage war die Öffentlichkeit jedoch ausgeschlossen und auch beim Gutachten eines forensischen Psychiaters mussten die Prozessbeobachter den Sitzungssaal verlassen. Der Gutachter war beauftragt worden, die Glaubhaftigkeit der Zeugin zu beurteilen, die als Nebenklägerin im Verfahren auftritt.
Doch bei der Vernehmung einer Bundeswehrkollegin der 36-jährigen Nebenklägerin konnten sich Beobachter ein Bild machen. Die Frau hatte sich vor viereinhalb Jahren mit der ehemaligen Soldatin angefreundet und erfahren, wie diese in ihrer Kindheit von ihrer Mutter an Männer vermittelt wurde, die Sex mit kleinen Mädchen suchten. „Ich habe mich um diese Frau, die viel getrunken hatte, gekümmert, bis es nicht mehr ging“, schilderte die Freundin.
Der Intimverkehr mit dem ehemalige Oberstabsarzt sei keine Liebe gewesen. Die 36-Jährige habe den Sex mit ihm als erniedrigend empfunden, sagte die Zeugin. „Doch aufgrund ihrer schrecklichen Vorgeschichte ist sie nicht in der Lage gewesen, zu den Bedrängungen nein zu sagen.“So sei die Nebenklägerin Jahre zuvor an einem anderen Bundeswehrstandort von einem Vorgesetzten schwanger geworden. Das Kind sei abgetrieben worden.
Zeugin wird krank
Die Verhandlung am gestrigen Freitagmorgen dauerte nur kurz, nachdem eine wichtige Zeugin krank geworden war. So musste auch der Auftritt eines zweiten Gerichtsmediziners auf den nächsten Sitzungstag verschoben werden, der am Freitag, 23. März ansteht. Der Gerichtsmediziner hatte den Angeklagten begutachtet und dem gesamten Prozess beigewohnt.
Der Vorsitzende Richter verlas zu Beginn des gestrigen Verhandlungstages einen Auszug aus dem Vorstrafenregister des Angeklagten. Dieser war im Jahr 2014 vom Ulmer Amtsgericht zu acht Monaten Freiheitsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt worden, die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Daraufhin entließ die Bundeswehr den Truppenarzt. Laut Urteil hat der Mediziner in einem InternetChat Kontakt mit einem 12-jährigen Mädchen aufgenommen, die offenbar bereitwillig auf seine obskuren Wünsche einging.
Der Offizier und das Kind tauschten sexuelle Fantasien der aus, fotografierten sich entblößt vor den Computerbildschirmen und probten den Oralverkehr. Doch als der Mann das Mädchen leibhaftig treffen wollte, beendete sie den Kontakt. „Da hatte ich Mist gebaut“, räumte der Angeklagte jetzt vor dem Schöffengericht ein.