Grau ist die Hoffnung
Nach dem 2:0 der TSG in Augsburg macht Trainer Nagelsmann Witze über seinen Mantel
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AUGSBURG - Und auf einmal war es wieder da – das typische Julian-Nagelsmann-Lächeln. Leicht schelmisch, gar spitzbübisch blickte der 30-jährige Trainer der Hoffenheimer am frühen Samstag Abend in die Runde und reihte einen Spruch an den anderen. Etwa über seinen Mantel, in dem er das 2:0 (1:0) seiner Mannschaft beim FC Augsburg verfolgt hatte. „Die Resonanz auf die Jacke ist immer ein guter Indikator für meinen Modegeschmack – je nachdem, wieviele Anfragen ich von Fans hinterher bekomme, die ihn kaufen wollen“, sagte Nagelsmann.
Nagelsmann und seine Mäntel, das ist ja ein Thema für sich. Vor fast einem Jahr hatte er es für eine gute Idee gehalten, sich in einem knallroten Kapuzenmantel, genauer in einem Dufflecoat, in der Allianz Arena das Halbfinale des DFB-Pokals zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund anzusehen. Es folgten kaum überraschend wilde Spekulationen, in denen ein Zusammenhang zwischen der Mantelfarbe und Nagelsmanns womöglich künftigem Arbeitgeber gezogen wurden. Schlussendlich landete das gute Stück beim Internetauktionshaus Ebay. Am Samstag trug Nagelsmann also wieder einen Dufflecoat, diesmal sogar an der Seitenlinie. Doch dieser war weder rot, noch weißgrün-rot (den Farben des FC Augsburg) oder im Hoffenheimer blau, sondern: grau. „Die Farbe ist eigentlich neutral. Trotzdem kommen jetzt sicher wieder die Sprüche mit der ,grauen Maus’ und Ähnliches“, erkannte Nagelsmann in dem ihm üblichen bissigen, durchaus selbstironischen Humor. Aber „ich habe sonst eher sportliche Jacken an, heute wollte mal auf Business Casual machen.“
Dass der Mantel nach dem Spiel so viel Raum einnahm und auch sonst bei den Hoffenheimern die Freude überwog, hatte einen simplen Grund. Endlich war die TSG wieder einmal nicht in Schönheit gestorben und hatte eine Führung aus der Hand gegeben. Das gelang auch, weil Andrej Kramaric (30.) schon zum sechsten Mal in der Rückrunde traf und Serge Gnabry (50.) zudem das zweite Tor quasi auf dem Silbertablett servierte. „Er hatte eine schwierige Phase. Jetzt ist er wieder unheimlich präsent und so bedeutend, wie wir ihn gerne haben“, so Nagelsmann. Generell hatte „das Spiel schon eine Bedeutung für uns“, so Nagelsmann – auch über das Sportliche hinaus.
Nach einer turbulenten Woche, die mit der länger erwarteten, von den Hoffenheimern aber bis dahin vehement verleugneten, Trennung von Sport-Geschäftsführer Hansi Flick begonnen hatte, war der erste Erfolg nach acht Spielen mit nur einem Sieg ein herbeigesehntes Zeichen. „Das war sehr wichtig“, meinte der Trainer, der die Situation aber lange nicht so brisant fand, wie sie in der Öffentlichkeit diskutiert worden war.
Zuletzt, beim 1:1 gegen den SC Freiburg, waren die Hoffenheimer Spieler noch von einigen Zuschauern ausgepfiffen worden, was Nagelsmann deutlich kritisierte. Anschließend gab es die Aussprache. „Es war kein Krisengipfel, wir haben das ausgesprochen“, sagte er über das Treffen mit Fanvertretern. Nun haben die Kraichgauer mit 35 Punkten sogar wieder Kontakt zu den Europa-League-Plätzen, die Stimmung dürfte noch besser werden. Und Julian Nagelsmann, schon als entzaubertes Trainer-Wunderkind tituliert, präsentiert sich wieder als ironischer Sieger – der sogar die unter der Woche angeblich aus Augsburg geschickten Trainingsspione okay fand: „Da waren wieder zwei Personen, die über den Zaun unser Training beobachtet haben, was aber ja nicht ganz so schwierig ist. Die haben wir aber schnell enttarnt, außerdem waren die letztes Jahr schon da. Sie können gerne auch wieder kommen.“
Kleiner Spott, auf den die Augsburger gern verzichtet hätten. Schon im Spiel war von einstiger Abwehrsouveränität und Offensivspektakel wenig zu sehen. „Wir hatten kaum Tormöglichkeiten, kaum Szenen. Insgesamt war das viel zu wenig, wir hatten überhaupt kein Mittel und viel zu viele Ballverluste“, urteilte Manager Stefan Reuter in aller Deutlichkeit nach dem vierten Spiel ohne Sieg in Folge. „Immer wenn wir am Ball waren, haben wir falsche Entscheidungen getroffen“, assistierte Trainer Manuel Baum. Über allem schwebte das Thema der erheblichen Personalprobleme – neben der erheblichen Kaderausdünnung im Winter, und diverser Verletzungen, hat der FCA unter anderem derzeit keinen etatmäßigen Linksverteidiger. Die Ausfälle „muss man kompensieren und einfach besser spielen“, so Verteidiger Martin Hinteregger. Dennoch: „Das Personal macht natürlich etwas aus, aber heute war es ein Spiel, in das man sich hätte reinbeißen können“, sagte Baum.
Angesichts der eher mauen Rückrundenbilanz mit acht Punkten aus acht Spielen sind sie in Augsburg „richtig froh, dass wir 32 Punkte haben“, wie Hinteregger sagte. Allerdings: „Jetzt kommen zwei direkte Konkurrenten (Hannover 96, Werder Bremen, die Red.) und egal wer fit ist, wir können beide schlagen und weiter fleißig Punkte sammeln, sodass wir den Klassenerhalt sichern.“
„Die Resonanz auf die Jacke ist immer ein guter Indikator für meinen Modegeschmack.“Julian Nagelsmann