Vettels ewiger Traum
Ferrari will Mercedes einen ebenbürtigen Kampf liefern
MELBOURNE (SID) - Sebastian Vettel sinkt auf die Knie und lässt seinen Emotionen freien Lauf. Geradezu ehrfürchtig verneigt er sich Oktober 2013 vor seinem Formel-1-Auto, ehe sich Jubelfaust und Vettel-Finger im steten Wechsel ablösen. Das Hochgefühl, das der damalige Red-BullPilot nach dem Gewinn seines vierten Fahrertitels beim Großen Preis von Indien empfand, kennt Vettel nur noch aus der Erinnerung.
Der einstige Serienchampion ist längst nicht mehr unbesiegbar, seit 2014 heißt das stärkste Auto Mercedes – und der Sieger meist Lewis Hamilton. Vettel, der einstige Gejagte, ist im Ferrari nur noch Jäger. Wenn am kommenden Sonntag die 69. Saison in Melbourne beginnt, unternimmt Vettel den nächsten Anlauf, das alte Kräfteverhältnis in der Fahrerwertung wiederherzustellen.
Vettels Sehnsucht nach dem Erfolg ist ebenso groß wie die der ruhmreichen Scuderia, die seit nunmehr zehn Jahren auf einen Titel in der Königsklasse wartet. 2008 hatte Ferrari den Konstrukteurstitel gewonnen, der letzte Fahrertitel durch Kimi Räikkönen liegt sogar noch ein weiteres Jahr zurück.
Nicht nur Zuversicht
„Das Beste, das 2018 passieren kann, ist, dass Ferrari sein ganzes Potenzial ausschöpft“, hatte Ferrari-Präsident Sergio Marchionne zuletzt gesagt und damit auch Vettel in die Pflicht genommen: „Es wäre großartig, wenn wir Mercedes einen ebenbürtigen Kampf liefern könnten.“
Das Vertrauen in den neuen Dienstwagen, den SF71H, sei „groß“, sagte Vettel nach guten Testfahrten auch wenn er trotz Streckenrekord in Barcelona nicht nur Zuversicht versprühte. Es sei nur ein Test gewesen, erklärte Vettel, „es fühlt sich wie ein Schritt nach vorne an. Aber was soll ich jetzt groß euphorisch sein.“
Vettels verhaltene Reaktion fußte auf den Begleitumständen der TopZeit. Ferrari war mit der weichsten Reifenmischung auf Zeitenjagd gegangen. Auch der starke Eindruck, den Mercedes bei den Rennsimulationen hinterließ, dämpfte Vettels Vorfreude ein wenig. Man habe noch an einigen Dingen zu arbeiten, sagte Vettel.
Wie es wirklich um die Leistungsfähigkeit Vettels und der „Roten Göttin“bestellt ist, wird sich erst beim Großen Preis von Australien zeigen. Dabei dürfte der Scuderia nicht allein Mercedes gefährlich werden. Auch Max Verstappen und Daniel Ricciardo im Red Bull scheinen von Beginn an maßgeblich in den WMKampf eingreifen zu können.
Technikpannen am Ferrari und auch persönliche Aussetzer, wie im Vorjahr bei seinem Rammstoß gegen Hamilton in Baku, darf sich Vettel angesichts der verschärften Konkurrenzlage nicht mehr erlauben.