Nicht jeder Geschädigte hat Anspruch auf Mietwagen
Nach einem Unfall darf nicht gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen werden
● enigfahrer haben nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall nicht zwangsläufig Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten durch den Unfallverursacher. Das ergibt sich aus einem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Az.: 7 U 46/ 17). Konkret gehen die Richter davon aus, dass ein Geschädigter, der täglich weniger als 20 Kilometer mit dem Auto zurücklegt und sich trotzdem einen Mietwagen nimmt, gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, weil er offensichtlich nicht darauf angewiesen ist, ständig ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben.
In dem verhandelten Fall hatte der Geschädigte in einem für rund 1230 Euro angemieteten Wagen nur 239 Kilometer in elf Tagen zurückgelegt. Abzüglich der einmalig absolvierten Strecke von seinem Wohnhaus zur Kfz-Werkstatt sei er damit nur rund 16 Kilometer pro Tag gefahren, so die Kammer.
Der eingeschaltete Kfz-Sachverständige hatte für die Reparatur nur
Wvier bis fünf Arbeitstage angesetzt. Für diese wenigen Tage sei es dem Kläger zuzumuten gewesen, für anstehende Fahrten ein Taxi zu benutzen, zumal er den beschädigten Pkw nicht für berufliche Zwecke gebraucht habe, so die Richter. Er hätte vorhersehen können und müssen, dass die Mietwagenkosten von rund 112 Euro pro Tag die bei seinen Fahrten voraussichtlich anfallenden Taxikosten um ein Mehrfaches übersteigen würden. Dem Kläger stehe nur Schadenersatz für den Nutzungsausfall in Höhe von insgesamt 115 Euro (fünf Tage zu je 23 Euro) zu.
Reparaturdauer strittig
Außerdem habe der Kläger die Schadensabwicklung vollständig aus der Hand gegeben und somit gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. Da der Wagen des Klägers nach dem Unfall noch fahrbereit gewesen sei, habe er ihm theoretisch gesehen nur für die tatsächliche Dauer der Reparatur nicht zur Verfügung gestanden. Diese sei vom Sachverständigen auf längstens fünf Tage geschätzt worden. Ob die Reparatur dann tatsächlich länger gedauert hat, konnten die Richter nicht feststellen, weil der Beginn der Arbeiten nicht mehr zu ermitteln war.
130-Prozent-Grenze überschritten
Erschwerend kam hinzu, dass der Kläger seinen Wagen hatte reparieren lassen, obwohl die Kosten in Höhe von circa 4300 Euro den Zeitwert von 3900 Euro überstiegen. Das stand ihm nach geltender Rechtsprechung zwar auch zu. Der Bundesgerichtshof hat nämlich festgelegt, dass man auch dann noch die Möglichkeit hat, sein Fahrzeug wieder instandsetzen zu lassen, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert maßvoll – und zwar bis 130 Prozent – übersteigen. Die Grenze lag in diesem Fall also bei 5070 Euro. Diese Latte ist nach Auffassung der Kammer allerdings im konkreten Fall gerissen worden: Beim Anmieten des Ersatzfahrzeugs hätte dem Kläger klar sein müssen, dass die Reparaturkosten in Höhe von 4300 Euro und die Mietwagenkosten in Höhe von 1230 Euro die 130-Prozent-Grenze deutlich überschreiten. (dpa)