Die Geduld der Frauen ist am Ende
In Werbung, Sport und Medien ändern sich langsam die Geschechterrollen
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BERLIN (dpa) - In der Formel 1 gibt es keine Boxenluder mehr, die „Bild“Zeitung will weniger nackte Frauen zeigen. Der Zeitgeist verändert das Rollenbild der Frau in der Öffentlichkeit. Schon seit sechs Jahren gibt es bei der „Bild“die halbnackte Frau auf der Titelseite nicht mehr. Jetzt geht es einen Schritt weiter. Oben ohne ist beim „Bild“-Girl passé. „Unser Gefühl in den letzten Monaten war zunehmend, dass viele Frauen diese Bilder als kränkend oder herabwürdigend empfinden, sowohl bei uns in der Redaktion, aber auch unter unseren Leserinnen“, erklärt die Zeitung.
Es soll zwar keine Nacktbilder geben, die „Bild“selbst produziert hat. Aber das Blatt will weiter Nacktfotos bringen, „über die das Land spricht“. Auch bei anderen Medien tickt die Zeitgeist-Uhr: Die „Cosmopolitan“will keine Altersangaben mehr nennen, weil das Alter nicht so wichtig sei.
Die Werbebranche merkt: Diskriminierung und sexistische Motive werden immer weniger geduldet. Das bekam eine Metzgerei zu spüren, die mit dem Slogan „Lust auf Fleisch?“nach Personal suchte, daneben eine Frau in Dessous, die eine Fleischkeule schulterte. Nach einer Beschwerde wurde die Ausschreibung geändert, wie der Werberat berichtete. Insgesamt bekam die Anlaufstelle 2017 mehr Beschwerden zu Geschlechterdiskriminierung und Sexismus als im Vorjahr.
Sogar in der von Männern dominierten Formel 1 bahnt sich ein Wandel an. Zum Start der Formel-1-Saison am Wochenende im australischen Melbourne waren in den Boxen keine knapp bekleideten Nummern-Girls mehr zu sehen, sondern sogenannte Grid Kids. Das sind Kinder von den jeweiligen Motorsport-Clubs, die bereits im Kartoder Formelsport aktiv sind und ihre Idole zum Start begleiten dürfen.
Verstärkt durch MeToo-Debatte
Dieser Sinneswandel wird mit der MeToo-Debatte über Macht und sexuellen Missbrauch verstärkt. Die Leute gucken genauer hin, wie Frauen dargestellt werden. „Insgesamt sind die Unternehmen sensibler geworden, was sexistische Werbung angeht“, sagt Julia Busse, Geschäftsführerin des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft. „Werbung ist in erster Linie ein Spiegel der Gesellschaft und gibt Impulse. Es ist aber nicht ihre Aufgabe, den gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.“Das bedeutet auch: Wenn in der Wirklichkeit tatsächlich meist die Frauen den Haushalt schmeißen und die Männer den Rasen mähen, warum soll das im Werbeblock anders sein? Doch Männer haben in der Werbung auch schon über Windeln geredet.
Für Stevie Schmiedel von der Protestkampagne Pinkstinks, die sich gegen Sexismus und starre Rollenbilder richtet, geht es sie nicht darum, Erotik oder Schlüpfrigkeiten zu verbieten. „Wir wollen nicht zensorisch sein“, sagt sie. Eine Frau in Unterwäsche ist demnach als Motiv okay, wenn sie für Dessous wirbt. Nicht okay, wenn sie halbnackt für einen Sessel posiert.
Altherrenwitze und Sexismus: In den Motiven der kleinen und mittelständischen Firmen ist das laut Schmiedel immer noch verbreitet, wie sie an den Beschwerden sieht. „Wir sitzen hier wirklich mit offener Kinnlade.“Aber seit der MeToo-Debatte hätten die Unternehmen begonnen, über Sexismus zu reden.
Was die Kinderzimmer angeht, so bleibt Deutschland streng in Rosa und Hellblau geteilt, in getrennte Produkte für Mädchen und Jungen. „Es verkauft sich einfach zu gut.“Interessant sei, zu sehen, wie unterschiedlich die Bilder auf den Produkten seien, vom Shampoo bis zum Puzzle, so Schmiedel. Die Jungen seien in Aktion zu sehen, in einer „Ich mach’ mein Ding“-Pose. Die Mädchen hingegen schauten immer in die Kamera, nach dem Motto: „Bin ich schön?“
Was den Striptease in der Zeitschrift angeht: Der US-„Playboy“hatte unter großem Getöse den Abschied von den nackten Frauen angekündigt. Nach einem Jahr der Enthaltsamkeit kam 2017 die Kehrtwende. Die Abkehr vom Kerngeschäft sei ein Fehler gewesen. Allerdings verschwand der Zusatz „Unterhaltung für Männer“von der Titelseite.