Der ewige Rebell hat viel zu erzählen
Liedermacher Hans Söllner verbindet im ausverkauften Roxy Protest mit Unterhaltung
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ULM - Er war nie ein Leisetreter, sondern immer ein Aufmüpfiger, ein Rebell, einer, der schonungslos offene Worte sprach, wenn er Missstände in der Gesellschaft oder der Obrigkeit entdeckte. Und der bayerische Liedermacher Hans Söllner hat viele Missstände entdeckt. Jetzt ist er 62 und hat immer noch viel zu sagen. Das tat er auch bei seinem Auftritt im ausverkauften Ulmer Roxy – wie üblich war es eine Mischung aus Plauderei, harter Anklage und brillantem Entertainment mit kritischen Tönen, teils mit Instrumenten begleitet, von ihm selbst und dem Gitarristen Manfred Puchner.
Manch einer wird sagen: Das hat sich längst abgenutzt, was der alternde Söllner von sich gibt. Aber der Liedermacher aus Bad Reichenhall, der erst eine Lehre als Koch und später eine als Kfz-Mechaniker abschloss, bevor er eine Karriere als Musiker einschlug, wirkte im Roxy frisch und voller jugendlichem Elan. Und was er zu sagen hatte, hat nichts von seiner Gültigkeit verloren. Wenn er im Lied für ein afrikanisches Mädchen anprangert, dass es mit der Beschneidung, sprich Verstümmelung, ihre Träume verliert, während das Dorf feiert, dass es zur Frau geworden ist, so verdammt er Praktiken, die in manchen Ländern heute noch angewandt werden. „Lasst sie in Liebe wachsen, damit habt ihr genug zu tun“, singt Hans Söllner, wohlwissend, dass sein Lied nichts ändern wird. So singt er denn auch an anderer Stelle: „Wenn die ganze Welt in die Luft geht, ist mir das scheißegal.“
Der Tod ist für Söllner, der Ende der 80er-Jahre nach seinem ersten Aufenthalt auf Jamaika für seinen Kampf um die Legalisierung von Marihuana bekannt wurde, zahlreiche Hausdurchsuchungen seitens seiner „geliebten“Polizei und Staatsanwaltschaft, mit der er lange im Clinch lag, erlebte und als das „bayerische Urgestein des deutschen Reggae“bezeichnet wurde, kein Tabuthema. So spielte er auch eines der Lieblingslieder seines kürzlich verstorbenen Freundes, in dem er unter anderem mitteilte: „Ich glaube, dass ich erst frei bin, wenn ich tot bin. Dann geht das Leben erst richtig los.“
Nicht, dass sich Söllner nach dem Tod sehnen würde. Aber er müsste nach seinem Ableben nicht mehr das Leid sehen, nicht mehr die Verlogenheit und Ungerechtigkeit auf dieser Welt erleben, nicht mehr Mord, Hass und anderen Scheiß. Andererseits hat er eine Familie, die er liebt und für die er Lieder geschrieben hat, die er im Roxy zum Besten gab. Für seine Buben zum Beispiel und für Josefina Marie. Letzteres „habe ich geschrieben, bevor ich wusste, dass es eine Tochter wird“, bekannte der Liedermacher. In seinen Liedern – und sicher nicht nur da – ermahnt er seine Kinder, was bei ihm aber für alle Menschen gilt, sich keinen Zwängen auszusetzen, frei zu sein („Lasst euch nichts gefallen“), seine eigene Meinung zu haben und seine Gefühle willkommen zu heißen.
Söllner prangert die nicht artgerechte Tierhaltung an, ein Thema, das ihm besonders am Herzen liegt, Kriege und Terrorismus, aber auch eher banale Dinge wie die Fernsehsendung „Bauer sucht Frau“oder das gerade mal wieder in Verruf geratene Facebook: „Ich habe vor einiger Zeit Facebook entdeckt. Wegen der Daten ist mir das egal, die wissen eh alles über mich. Wenn du da das Richtige schreibst, lockst du die oberdümmste Sau heraus.“
Auch US-Präsident Trump, der türkische Präsident Erdogan und seine momentanen „Lieblings“-CSUPolitiker Markus Söder und Horst Seehofer („Jetzt ist er nicht mehr der Dorfdepp, sondern der Staatsdepp“) bekamen von Söllner ein bisschen Fett ab. Aber der stimmte auch ganz freundschaftliche Töne gegenüber seinem Publikum an: „Ich wünsche euch, dass jeder heute Abend irgendwo hinkommt, wo sich einer auf euch freut.“Zu befürchten ist, dass dem nicht so war und dass bei vielen die schönen Botschaften, die der Liedermacher im Roxy verbreitet hat, schnell verpuffen. Sicher bei denen, die während des Konzertes immer wieder ihrem Handy und den dort gelesenen Nachrichten sehr viel Aufmerksamkeit schenkten.