Netzwerk außer Kontrolle
Private Daten von fast 310 000 deutschen Facebook-Nutzern sind abgefischt und benutzt worden – ohne ihr Wissen, ohne ihr Zutun, ohne ihr Einverständnis. Ausgelöst haben das gerade einmal 65 User, die bei einer Umfrage freiwillig ihre Daten preisgegeben hatten. Alle anderen Nutzer haben der Verbreitung ihrer persönlichen Informationen nicht zugestimmt, keine Links angeklickt, keine App geladen. Der Zugriff erfolgte unbemerkt im Schneeballprinzip über Freundeslisten. Facebook hat seine User nicht geschützt – und dann verpasst, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Damit hat das Unternehmen bewiesen, dass es sich der Tragweite seiner Verantwortung nicht bewusst ist.
Jeder Facebook-Nutzer weiß, dass das Netzwerk Daten sammelt und verwendet, um mit personalisierter Werbung Geld zu verdienen. Das ist das Geschäftsmodell. Doch der Nutzer muss entscheiden können, welche Daten er zur Nutzung freigibt und an wen. Wenn persönliche Informationen abgesaugt werden, weil Dritte an einer Umfrage teilgenommen haben, entzieht sich das der Kontrolle des Einzelnen. Die User hatten keine Chance, sich davor zu schützen. Der einzige Schutz wäre gewesen, gar nicht erst Teil des sozialen Netzwerks zu sein.
Jede Firma, die Daten etwa für Gewinnspiele erhebt, macht deutlich, wie diese verwendet werden. Das Netzwerk, das Unmengen persönlicher Informationen hortet, hüllte sich darüber aber in Schweigen. Der Datenmissbrauch durch Cambridge Analytica war im Unternehmen seit Jahren bekannt. Trotzdem war der Schutz der User den Facebook-Chefs nicht wichtig genug, um transparent mit den Fehlern umzugehen.
Deshalb muss die Politik dafür sorgen, dass sich Onlinekonzerne wie jede andere Branche Regeln unterwerfen müssen, deren Ziel es ist, Verbraucher zu schützen. Sollte die neue EU-Datenschutzgrundverordnung dafür nicht ausreichen, muss ein neues Instrument geschaffen werden, das diesen Anspruch erfüllt. Denn der Verbraucher muss die Hoheit über seine Daten behalten.