Bücher am laufenden Meter
Verlag aus Berlin zeigt gerollte Druckwerke, die Lesestoff in ein Kunstwerk verwandeln
NEU-ULM (sz) - „Durchbruch!“jubelten die beiden Verleger Antonia Stolz und Ioan Brumaire im Frühsommer 2014 – da hatten sie den Durchbruch mit ihrem Herzensprojekt, einem Verlag für gerollte Bücher, Round not Square – rund, nicht eckig. Der Durchbruch: Die Möglichkeit, auf langen Papierbahnen zu drucken und diese mit einer attraktiven Verschlusstechnik zu eben jenen Buchrollen zu machen, wie man sie heute höchstens aus historischen Museen unterm Stichwort Thorarolle oder Papyrus findet.
Die Neuerfindung der Buchrolle - hier wird das klassische Buchformat zur Rolle und in der Ausstellung im Ulmer Künstlerhaus, die begleitend zur anstehenden Literaturwoche Donau stattfindet, kann man sich von der Perfektion und der erstaunlichen Bandbreite der Themen und Gestaltungsmöglichkeiten dieses Berliner Startups überzeugen. Und die scheinen wirklich nahezu unbegrenzt. „Wie eine Ausstellung planen“müsse man ein solches Buch, sagt Antonia stolz und unterdessen gibt es nicht wenige Künstler, die eigens für Round not Square arbeiten. Die Weiterentwicklung der traditionellen Schriftrolle bedeutet Umdenken und das macht sie für Künstler wie auch für die Verleger so interessant.
Es gibt keine Seitenzahl, stattdessen eine Meterangabe. Man muss nicht blättern und Bilder können horizontal nahezu endlos lang sein. Vor allem für Storytelling und Panorama-Aufnahmen ist die Buchrolle geradezu prädestiniert. So entwickelte der Augsburger Zeichner Paul Rietzel, der zum Vernissageabend nach Ulm gereist war, seine Graphic Novel „Shipwreck“als visuell beeindruckendes Endlosbild für eine 20-Meter-Rolle. Zuerst sei man von einem Zehn-Meter-Werk ausgegangen, so Ioan Brumaire, aber: „Paul hat einfach gezeichnet und gezeichnet und nicht mehr aufgehört“. So wurden es einige Meter mehr Buch. Die ersten Bücher, etwa „Catching the Eye“von Larry Yust, zeigten so etwa langgezogene Aufnahmen von Häuserfassaden. Das im Künstlerhaus gezeigte Kinderbuch „Wilma und Wolf“von Luisa Stenzel ist eine herrlich verspielte und heitere Geschichte, der man aber auf jedem Zentimeter auch die Freiheit anmerkt, die dieses Format dem Künstler auftut.
Besonders ideal scheint die Rolle aber für „Das Hochhaus“zu sein, das zunächst auf einem Blog zwei Jahre lang von Katharina Greve in die Höhe „gebaut“wurde. Dann wanderte das preisgekrönte ComicBauprojekt komplett zu Round not Square, wo man alle 102 Stockwerke auf einer einzigen langen Seite betrachten kann - die im Künstlerhaus an einer Säule entlang emporwächst, der den Kopf in den Nacken legen muss zur Betrachtung als blicke er an einem echten Hochhaus in die Höhe.
Vom Keller bis zum Dachgeschoss entfaltet sich dank Greves trockenem Humor ein äußerst vergnügliches Panoptikum einer Hausgemeinschaft, ein ebenso amüsanter wie schonungsloser Einblick in mit dem Zeichenstift erdachte Privatleben.
Der Berliner Verlag zeigt seine Bücher in Kooperation mit der Literaturwoche Donau. Das Literaturfestival, das am 20. April startet, legt Wert auf die Präsentation gerade solcher Ideen und Formate. Da sind sich die Macher von Künstlerhaus und Literaturfest völlig einig: Die neue Buchrolle a la Round not Square funktioniert als Buch wie auch als Kunstwerk.
Die Ausstellung ist bis 29. April zu sehen. Und zwar Donnerstag und Freitag 16 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 16 Uhr und nach Vereinbarung. Der Verlag Round not Square präsentiert sich auch auf der ersten Ulmer Buchmesse „Konturen“am 28. April in der Villa Rot, Burgrieden und am 29. April in der Museumsgesellschaft Ulm.